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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens
Autoren: Helena Reich
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Anwälte, und ihr Vater würde, da war sie sich ganz sicher, niemals mit jemandem zusammenarbeiten, der nicht ebenso integer war wie er selbst. Ich muss die Satzfetzen missverstanden haben, dachte sie, irgendwie aus dem Zusammenhang gerissen. Immobilienhandel war ja nicht illegal, beruhigte sie sich selbst. Über Kalaschnikows wollte sie lieber nicht nachdenken. Maschinen? Es waren allerlei Maschinen denkbar: Waschmaschinen, Nähmaschinen, Spülmaschinen … das war nicht weiter besorgniserregend. Aber was sollte das mit den roten Rosen? War das das Grünzeug? Unter Gemüse fielen die sicher nicht, obwohl sie sich gut an eine ausgezeichnete Rosenmarmelade erinnern konnte, die ihre Großmutter früher jeden Sommer gekocht hatte. Die junge Rechtsanwältin wusste nicht, wie sie das verstehen sollte, es klang irgendwie nicht so, als wären die beiden Männer dabei, ins Blumengeschäft einzusteigen. Tausend Melonen? Dass es sich dabei nicht um eine Anzahlung in Form von Obst handelte, war ihr klar – Melone war der umgangssprachliche Ausdruck für Million. Aber tausend Millionen waren eindeutig zu viel Geld für rote Rosen, selbst in tschechischen Kronen, von Gemüse ganz zu schweigen. An irgendetwas erinnerten sie diese roten Rosen, von denen die beiden redeten, es wollte ihr im Moment nur nicht einfallen.
    Während sie noch grübelte, was es mit Blümchen und Grünzeug auf sich haben könnte – Blüten , schoss es ihr durch den Kopf, vielleicht meinen sie Falschgeld! … Nein, das war nicht die Erinnerung, nach der sie in ihrem Gedächtnis kramte –, hörte sie weitere Satzfetzen …
    »Engelchen … in den Himmel … Plage, diese naseweisen Staatsdiener …«
    »… zum Abschuss freigeben …«
    Gelächter.
    »Also gut … sich … wo?«
    »Vor dem Haus … um die Ecke … Siebten Himmel …«
    Sie erstarrte. Das konnte man nicht missverstehen – Zusammenhang hin oder her. Planten die beiden etwa …
    »… müssen … erledigen«, fragte der andere Mann. »Wer könnte … Du?«
    » To máš marný … geh … Kuba.« Wieder knarzte der Fußboden im Büro des Chefs. Die Männer waren offenbar ziemlich nervös, wie sie da hin und her liefen.
    Wieso ist das sinnlos, kommentierte sie für sich die letzte Antwort, ihr habt doch schon allerlei anderes Zeug erzählt, das man euch nicht laut sagen hören sollte. Und wer soll nach Kuba gehen? Ich wüsste schon gern, wer da morgen diesen armen Engel erledigen soll, dachte sie, erschrocken über ihre Kaltblütigkeit. Da planten diese Männer allen Ernstes, jemanden umzubringen, während sie wie festgewachsen im Vorzimmer herumstand und ruhig zuhörte. Was, wenn sie plötzlich rauskämen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie spürte Panik in ihrem Inneren aufsteigen, und die Kaltblütigkeit war wie weggeblasen.
    Sie griff wieder nach ihrer Tasche. Als hätten sie ihre Gedanken gelesen, hörte sie, wie die Männer sich der Tür näherten. Das alte Parkett knarzte unter ihren Schritten. Sie starrte wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf die Tür zum Büro ihres Chefs. Mach, dass du wegkommst, drängte eine panische innere Stimme sie. Sie rührte sich nicht, die Angst lähmte ihren angespannten Körper. Das Telefon klingelte. Auf dem Apparat der Sekretärin blinkten ein paar rote Lämpchen. Jemand fluchte, ging zurück. Der andere stand offenbar direkt hinter der Tür, die Hand schon an der Türklinke – jedenfalls spielte er mit ihr. Sie bewegte sich auf und ab, quietschte leicht im Takt der Bewegung. Das Ding sollte man ölen, dachte Skarlet, und wunderte sich über ihre banalen Gedanken. Du musst hier raus, drängte die Stimme in ihrem Kopf, nimm die Beine in die Hand! Jemand nahm ab, die Lämpchen hörten auf zu blinken.
    »Ah … vom Teufel spricht«, hörte Skarlet eine Stimme säuseln, »sehr schön, ja, klappt alles … Melonen habe ich … Rosen auch bald … nein, Kolumbien … ja, über Hamburg … selbstverständlich, Lager in Vítkov … also gut …«
    Skarlet wartete nicht, bis er aufgelegt hatte. Sie verschwand so schnell sie konnte aus der Kanzlei. Sie ahnte nur, dass dieser Anruf ihr das Leben gerettet hatte.

    1 Alle nachfolgenden Zitate in »Reinen Herzens« sind dem deutschen Original und der tschechischen Übersetzung des Romans »Messerwerfer« des unbekannten Autors Solo Lovec entnommen, der 2004 im Labyrint Verlag, Prag, erschienen ist.

2
    Věrohodnost:
má hodně společného s odvahou ke lži.
    Glaubwürdigkeit:
hat viel mit dem Mut zur Lüge zu
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