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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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am Wahnsinn, an der Lüge änderte sich nichts. Es stand da, und es war kein Scherz, das war mir klar. Ich verstand, dass ich das Rachepotenzial der Frau, von der ich mich doch ohne Zeter und Mordio getrennt hatte, in den letzten Wochen nicht über-, sondern weit unter schätzt hatte. Mein Herz schlug sehr schnell, als ich den Haftbefehl mit dem frei erfundenen Geschehen in der Nacht vom 8. auf den 9. Febr uar 2010 las, aber es geriet nicht aus dem Rhythmus wie bei anderen, viel weniger aufregenden Gelegenheiten in der Vergangenheit. Mich befiel auch keine Panik. Die Geschichte war von vorne bis hinten erlogen, und ich war zuversichtlich, dass auch der dümmste deutsche Polizist so etwas aufdecken könnte. Damals kannte ich allerdings noch nicht die Kriminalpolizeiaußenstelle Schwetzingen.
    Ich war immer ein institutionengläubiger Spießer gewesen, war außer durch ein paar Kleinstverkehrsverstöße nie auffällig geworden bei der Polizei und glaubte im Übrigen an die Justiz in Deutschland – und in Baden-Württemberg, wo ich geboren war, sowieso.
    Zudem schien mir der auf diesem rosa Papier festgehaltene Vorwurf der Vergewaltigung, noch dazu mit einem Messer, von vornherein so absurd, dass ich hoffnungsfroh sein wollte, dass sich das Ganze schnell auflösen würde. Ich wusste nicht mal mehr mit Sicherheit, ob ich an jenem Abend überhaupt ein Messer in der Hand gehabt hatte – wieso auch. Der Abend und selbst das Beziehungsende waren komplett ruhig verlaufen und nichts geschah, das sich einem irgendwie in die Erinnerung hätte brennen müssen, geschweige denn, dass die Dinge passiert wären, mit denen Claudia Simone Dinkel berühmt werden und Geld verdienen oder sich einfach nur rächen wollte.
    So empfand ich für kurze Zeit den ganzen Zinnober am Flughafen schon fast als interessante Bereicherung meiner Biografie, ahnend, dass ich nun Dinge kennenlernen würde, die ich noch nicht kannte. Diese kindliche Herangehensweise konnte ich mir allerdings nur für Sekunden bewahren, denn diese rund zehn Leute, die mich verhaften wollten, ließen durch ihre Körpersprache und die Art, wie sie mit mir umgingen, keinen Zweifel, dass sie davon ausgingen, dass ich die auf dem rosa Zettel festgehaltene Tat begangen hätte. Das Auto wurde durchsucht. Ich hatte aus diversen Fernsehfilmen und Büchern gelernt, dass es gut ist, erst mal nichts zu sagen, und ich war froh, dass Miriam cool und tapfer blieb. Sie stand mehrere Meter von mir entfernt und sah mich besorgt an. Wir durften uns schließlich voneinander verabschieden, und ich wusste, als ich auf sie zuging, dass ich etwas die Fassung verlieren würde. Ich bin jemand, der bei Filmen weint, selbst die Szene am Anfang in Findet Nemo, wenn die Mutter gefressen wird, rührt mich zu Tränen.
    Bei der Verabschiedung tat nicht ich selbst mir leid, sondern Miriam. Sie stand da, stark und traurig, ich konnte ihr nur sagen, was man mir vorwarf und dass ich das nie getan hatte. Ich spürte und hörte, dass sie mir glaubte, und sie tröstete mich über den kurzen Moment hinweg, wo ich ein bisschen weinen musste. Es tat mir in der Seele weh zu sehen, wie sie einfach so dastand, einsam, unser Wochenende fand nicht statt, und es rührte mich letztendlich auch, dass sie in der überraschenden Not stärker war als ich.
    Zuerst ging es in eines der Nebengebäude im Flughafen, wo der sogenannte erkennungsdienstliche Teil absolviert wurde. Ich versuchte Teile von Reststolz nach oben zu fördern, als ich von vorne und von der Seite fotografiert wurde; ich war müde nach der langen Reise und wähnte mich in diesen Momenten in einem falschen Film, in einem Traum, aus dem ich sicher gleich aufwachen würde. Was mit mir passierte, konnte nicht sein, es war falsch, ich war Menschen ausgeliefert, die sich komplett abseitig verhielten und mich mit einem völlig abwegigen Vorwurf konfrontierten. Diese Polizisten mussten die Menschenkenntnis eines abgetauten Kühlschranks haben, dass sie Dinkel diese schlecht zusammengelogene Geschichte glaubten.
    Ich wusste allerdings zu jedem Zeitpunkt, dass alles Argumentieren sinnlos wäre, so schwieg ich und versuchte, alles erwachsen und wie ein Mann über mich ergehen zu lassen.

Miriams Sicht: Die Verhaftung
    Jörg und ich waren für das Wochenende am 20 . /21. März 2010 verabredet und hatten vor, eventuell nach einem kurzen Aufenthalt in Leipzig, wo er am folgenden Montag einen Termin hätte wahrnehmen müssen, gemeinsam wieder Richtung Süden zu fahren. Ich
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