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Raumstation Erde

Raumstation Erde

Titel: Raumstation Erde
Autoren: Clifford D. Simak
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Sofa. Vor ihm warf die Kugelpyramide ihren Kristallregen von Farben an die Wände. Er griff danach, zog die Hand zurück. Was hatte es für einen Sinn, sie wieder zu untersuchen? Wenn er das Geheimnis bis jetzt nicht enträtselt hatte, würde es ihm nie gelingen.
    Ein hübsches Ding, dachte er, aber nutzlos.
    Er fragte sich, wie Lucy zurechtkommen würde, aber er wußte, daß seine Sorge unbegründet war. Sie würde überall zufrieden sein.
    Statt hier herumzusitzen, sollte er sich lieber an die Arbeit machen. Die Zeit gehörte ihm nicht mehr allein, denn von jetzt an würde die Erde an seine Tür klopfen. Es würde Konferenzen und Besprechungen und vieles andere geben, und in wenigen Stunden mußten die Reporter erscheinen. Aber bis dahin würde Ulysses zurück sein, um ihm zu helfen, vielleicht auch andere.
    Nach einer Weile würde er sich etwas zu essen machen und mit der Arbeit beginnen. Wenn er bis in die tiefe Nacht hinein arbeitete, konnte er allerhand erledigen.
    Einsame Nächte waren gut für die Arbeit, dachte er. Und es war einsam jetzt, obwohl es keinen Grund mehr dafür gab. Denn er war nicht mehr allein, wie er es noch vor ein paar Stunden gewesen war. Jetzt hatte er die Erde und die Milchstraße, Lucy und Ulysses, Winslowe und Lewis und den alten Philosophen draußen im Obstgarten.
    Er stand auf, ging zum Schreibtisch und nahm die Figur, die Winslowe geschnitzt hatte. Er hielt sie ins Licht der Lampe und drehte sie langsam in den Händen. Auch die Figur war Ausdruck der Einsamkeit - der grenzenlosen Einsamkeit eines Mannes, der allein seinen Weg geht.
    Er mußte allein gehen. Es hatte keine Wahl gegeben.
    Er stellte die Figur auf den Schreibtisch zurück und erinnerte sich, daß er vergessen hatte, Winslowe das Stück Holz von dem Thubaner zu geben. Jetzt konnte er Winslowe sagen, woher die Hölzer stammten. Sie konnten in den Tagebüchern blättern und ihre Herkunft feststellen. Das würde dem alten Winslowe Spaß machen.
    Er hörte das seidige Rascheln und fuhr herum.
    »Mary!« rief er.
    Sie stand halb im Schatten, und die zuckenden Lichter der Kugelpyramide machten sie zu einer Märchengestalt. Das war nur recht, dachte er wild, denn sein verlorenes Märchenland war ihm wiedergegeben.
    »Ich mußte kommen«, sagte sie. »Du warst einsam, Enoch, ich konnte nicht fortbleiben.«
    Sie konnte nicht fortbleiben - das ist begreiflich, dachte er, denn in dem Gefüge, das er gestaltet hatte, mochte der unausweichliche Zwang herrschen, daß sie erscheinen mußte, sobald sie gebraucht wurde.
    Eine Falle, aus der keiner entkommen konnte. Es gab da keinen freien Willen, nur die tödliche Präzision des blinden Mechanismus, den er selbst geschaffen hatte.
    Sie sollte nicht zu ihm kommen, und vielleicht wußte sie das so gut wie er, ohne Widerstand leisten zu können. Würde sich das niemals ändern?
    Er stand regungslos, hin- und hergerissen zwischen der Leere ihrer Unwirklichkeit und dem Gefühl, daß er sie brauchte, und sie kam auf ihn zu.
    Sie kam näher, und bald mußte sie stehenbleiben, denn sie kannte die Regeln so gut wie er; sie durfte ebensowenig wie er die Illusion eingestehen.
    Aber sie blieb nicht stehen. Sie kam so nahe, daß er ihren Apfelblütenduft einatmen konnte. Sie hob die Hand und legte sie auf seinen Arm.
    Es war keine Schattenberührung und keine Schattenhand. Er spürte den Druck ihrer Finger, ihre Kühle.
    Er stand starr da, ihre Hand auf seinem Arm.
    Das zuckende Licht! dachte er. Die Kugelpyramide! Daß ich nie daran gedacht habe!
    Denn jetzt fiel ihm ein, wer sie ihm gegeben hatte, eines der Wesen aus dem Alphard-System. Und aus der Literatur dieses Sonnensystems hatte er die Kunst des Märchenlands kennengelernt. Sie hatten ihm zu helfen versucht, indem sie ihm die Pyramide gaben, und er hatte nicht begriffen. Im Babel der Milchstraße konnte man sich sehr leicht mißverstehen.
    Die Kugelpyramide war ein wunderbarer und doch einfacher Mechanismus, der Fixierstein, der alle Illusion verbannte und ein Märchenland in Wirklichkeit verwandelte. Man formte etwas nach seinen Wünschen, stellte die Pyramide an, und man besaß, was man geformt hatte, so wirklich, als hätte es Illusion nie gegeben.
    Aber in manchen Dingen kann man sich nicht täuschen, dachte er. Man wußte, daß es Illusion war, auch wenn sie sich in Wirklichkeit verwandelte.
    Er griff nach ihr, aber ihre Hand glitt von seinem Arm, und sie trat langsam einen Schritt zurück.
    In der Stille, der schrecklichen, einsamen
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