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Rau ist die See ...

Rau ist die See ...

Titel: Rau ist die See ...
Autoren: S Hogan
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dachte, und handelte sich damit Schwierigkeiten ein. Sie wusste doch, dass ihre direkte und offene Art bei den Menschen nicht gut ankam. Und Henry hatte sie damit gerade sehr wehgetan.
    Sie setzte sich neben ihn und umarmte ihn spontan. „Hey, nun beruhige dich doch. Das habe ich nicht gewusst. Bitte entschuldige, Henry. Ich wusste ja nicht … Es tut mir leid.“
    Es dauerte, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Doch als er aufblickte und Jade aus rotgeweinten Augen anschaute, brachte er sogar ein schiefes Grinsen zustande. Seine Stimme klang trotzdem brüchig, als er sagte: „Ich kann dir nicht böse sein, Jade. Du musstest ja wer weiß was von mir denken, nachdem ich dich so angestarrt habe. Aber im ersten Moment habe ich wirklich gedacht, Alice wäre wieder da.“
    Jade fürchtete, er würde erneut in Tränen ausbrechen. Aber diesmal riss er sich zusammen. Sie hielt ihn immer noch fest und war froh, als er wieder ruhiger atmete. „Das war also ihr Name – Alice?“
    „Ja, genau. Meine Schwester ist zwanzig Jahre alt geworden. Sie ist vor fünf Monaten bei einem bescheuerten Verkehrsunfall gestorben. Ein besoffener Raser hat ihr die Vorfahrt genommen.“ Er schluckte. „Du siehst ihr verblüffend ähnlich, Jade. Okay, sie hatte eine andere Frisur, aber vom Gesicht her könntest du beinah Alices Zwilling sein. Und von deiner Art her könntest du es allemal mit ihr aufnehmen. Meine Schwester war nämlich auch sehr direkt und unverblümt, genau wie du.“
    Betroffen senkte sie den Blick. „Ich habe mich echt blöd benommen. Trotzdem bin ich froh, dass wir jetzt Klarheit geschaffen haben. Ich finde dich nett, Henry. Jetzt weiß ich wenigstens, warum du so seltsam gewesen bist.“
    Lächelnd sah sie ihn wieder an. „Wollen wir noch mal neu anfangen?“
    Er putzte sich geräuschvoll die Nase und konnte nun wieder lächeln. „Nichts, was mir lieber wäre. Weißt du, ich dachte, ich wäre über Alices Tod einigermaßen hinweggekommen. Aber so schnell geht das wohl doch nicht. Zum Glück gibt es hier an Bord genug zu tun, dass man kaum Zeit für trübe Gedanken hat.“
    Gut, dachte Jade. Wenn ich ihn jetzt noch auf andere Gedanken bringe, ist alles gut. „Wie ist eigentlich deine Meinung über meine Vorgängerin?“, fragte sie. „Der Kapitän glaubt, sie hätte sich hier in Oslo aus dem Staub gemacht. Glaubst du das auch?“
    Er zuckte die Schultern. „Schwer zu sagen. Ich hatte nicht viel mit Ann zu tun. Sie hat nie wirklich zur Besatzung gehört, sondern ist eine Außenseiterin geblieben.“
    „Wieso das?“
    „Ann hat wohl sehr reiche Eltern. Sie hat versucht, das vor uns zu geheim zu halten. Ich vermute, sie wollte wie jedes andere Crewmitglied behandelt werden. Für sie sollte keine Extrawurst gebraten werden.“
    „Das klingt doch aber eher sympathisch, oder? Ich mag keine Leute, die sich für etwas Besseres halten.“
    „Ich auch nicht. Aber irgendwie hat Ann es trotzdem nicht geschafft, Mitglied der Bordgemeinschaft zu werden. Als raus war, dass sie den Job gar nicht brauchte, gab es natürlich Neider. Und hinter ihrem Rücken ist wohl über sie gelästert worden. Keine Ahnung … Ich habe davon nicht viel mitbekommen.“
    „Ann könnte also unglücklich gewesen sein und deshalb in Oslo das Schiff verlassen haben.“
    „Ja, das wäre eine Möglichkeit.“ Plötzlich sah er auf die Uhr. „Verflixt, schon so spät? Die Pflicht ruft. Wir sehen uns später, okay?“
    Bevor er ging, gab Henry ihr noch seine Handynummer und bekam im Austausch ihre. Jade war froh, dass es zwischen ihnen keine Unklarheiten mehr gab. Und irgendwie mochte sie ihn auch. In jedem Fall konnte sie gut mit ihm zusammenarbeiten, da war sie sicher. Wie die anderen Besatzungsmitglieder waren, wusste sie ja noch nicht. Aber mit Henry konnte sie bestimmt einmal etwas unternehmen. Als Animateurin kam sie eigentlich mit allen Menschen mehr oder weniger gut zurecht. Selbst bei Außenseitern fand sie immer einen Weg, sie einzubeziehen. Aber privat brauchte sie auch Leute, mit denen sie sich so gut verstand.
    Seufzend räumte Jade ihre Kleidung in den schmalen Schrank. Ihr Notebook und den Minidrucker stellte sie auf den kleinen Tisch. Wie Henry ihr verraten hatte, konnte sie in ihrer Kabine über W-LAN ins Internet. Jade wollte so schnell wie möglich einen Flyer entwerfen, um ab dem nächsten Morgen ihr Fitness-Programm anbieten zu können.
    Sobald sie sich eingerichtet hatte, stemmte sie die Fäuste in die Hüften und sah
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