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Rau ist die See ...

Rau ist die See ...

Titel: Rau ist die See ...
Autoren: S Hogan
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gekommen, sie hatte sofort die Reise nach Norwegen organisiert und war nun vor wenigen Augenblicken aus dem Taxi gestiegen.
    Nervös blickte Jade auf die Uhr. Wenn sie nicht zu spät kommen wollte, musste sie jetzt an Bord gehen. Sie hatte schließlich einen Termin mit dem Kapitän.
    Aber irgendwie scheute sie sich davor, dieses Schiff zu betreten. Dabei war Jade eigentlich nicht schüchtern. Sonst wäre Touristik auch nie das Richtige für sie gewesen – und in dem Job als Animateurin wäre sie eine totale Fehlbesetzung. Doch die MS Kyrene wirkte bedrohlich, auch wenn Jade nicht benennen konnte, woran es lag, der Anblick des Kreuzfahrtschiffs flößte ihr Angst ein. Oder lag es an den düsteren Wolken, die sich über den Bergen am Oslo-Fjord ballten?
    Ärgerlich presste Jade die Lippen aufeinander. Anstatt sich über diese Riesenchance ein Loch in den Bauch zu freuen, zögerte und zauderte sie wie eine Nichtschwimmerin, die vom Zehn-Meter-Brett springen sollte. Kopfschüttelnd hob sie ihre Reisetasche hoch. Dann stapfte Jade entschlossen die Gangway hinauf.
    Ein Matrose in blauer Uniform sowie ein Steward, der eine weiße gebügelte Jacke trug, begrüßten sie.
    „Guten Tag, Miss.“ Der junge Steward hob den Kopf und lächelte sie freundlich an.
    „Hallo! … Ich bin keine Passagierin“, sagte Jade, bevor sie nach einem Ticket oder einer Buchung gefragt werden konnte. „Ich bin Jade Walker und soll hier als Animateurin anheuern. Kapitän Granger erwartet mich.“
    Der Matrose nickte nur und hakte auf einer Clipboard-Liste etwas ab. Doch der Steward starrte ihr ins Gesicht, als ob er einen Geist gesehen hätte. Unwillkürlich fragte Jade sich, ob ihre Wimpertusche verwischt war. Oder war der Typ von ihrer Schönheit geblendet? Wohl eher nicht. Jade fand sich zwar nicht gerade hässlich, aber sie gehörte zum sportlich-natürlichen Typ. Bisher hatte sie die Erfahrung gemacht, dass Männer meistens stark geschminkten Tussis hinterherglotzten. Aber vielleicht stand dieser Steward ja gerade auf Frauen, die sich dezenter in Szene setzen konnten? Andererseits – er schien nicht unbedingt fasziniert zu sein, vielmehr irritiert.
    „Kennen wir uns?“, fragte Jade ihn direkt. Sie sah ihn an und entdeckte, dass er sofort rote Ohren bekam.
    „Nein, äh, ich bin Henry. Henry Glover. Ich arbeite hier an Bord als Kabinensteward. Und ich bringe dich gern zum Kapitän.“
    „Das ist wirklich besser“, kommentierte der Matrose. „Allein findet Miss Walker bestimmt nicht zum Captain’s Office.“
    Jade runzelte die Stirn. Hielt dieser Matrose sie für blöd? Um keinen schlechten ersten Eindruck zu hinterlassen und um nicht zu spät zu kommen, ging sie nicht weiter auf seine Bemerkung ein, sondern folgte dem Steward. Im Stillen beglückwünschte sie sich dafür bereits wenige Augenblicke später. Denn nachdem sie durch einige Salons geeilt waren und etliche Gänge hinter sich gelassen hatten, musste Jade dem Matrosen recht geben. Die MS Kyrene glich wirklich einem luxuriösen Labyrinth. Auf diesem Dampfer konnte man sich hoffnungslos verlaufen.
    Der Steward ging schweigend voraus. Er hatte die ganze Zeit kein einziges Wort mehr über die Lippen gebracht. Extrem verschlossener Typ, dachte Jade. Sie hatte viel mit Menschen zu tun und täuschte sich nur selten. Dieser Henry benahm sich jedenfalls seltsam. Seit er sie gesehen hatte, schien er durcheinander zu sein … Jade nahm sich vor, ihn später darauf anzusprechen. Erst einmal musste sie sich auf das bevorstehende Gespräch mit dem Kapitän konzentrieren. Er sollte sie für kompetent und belastbar halten – nicht dass er in ein paar Tagen auf die Idee kam, ihr zu kündigen und im nächsten Hafen jemand anders einzustellen.
    Jade war auf das Geld dringend angewiesen. Sie musste ihr Touristik-Studium finanzieren, denn ihre Eltern weigerten sich, sie bei der Verwirklichung ihres Traums zu unterstützen. In ihren Augen war ein Job in der Tourismusbranche nichts, wofür man einen Beruf brauchte. Wäre es nach ihnen gegangen, hätte Jade Jura studieren müssen. Das hielt ihr Vater, der selbst ein kleiner Beamter bei der Justizbehörde war, für etwas „Solides“. Aber Tourismus – damit verbanden Jades Eltern nur Sonne, Strand und ewige Party.
    Gedankenverloren war Jade hinter Henry hergegangen, als er plötzlich stehen blieb und an eine Tür klopfte.
    „Herein!“, rief ein Mann von drinnen.
    Henry öffnete und ließ Jade den Vortritt. Sie hatte plötzlich starkes
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