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Rasheed, Leila

Rasheed, Leila

Titel: Rasheed, Leila
Autoren: Rueckkehr nach Somerton Court
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mit einem tiefen, weichen Lachen. »Oder wurde mir eine besondere Ehre zuteil?« Seine Augen glänzten wie das mondhelle Wasser, und Ada wurde unter seinem festen Blick sehr unsicher.
    »Ich … ich bitte um Verzeihung. Ich … ich habe Sie nicht gesehen.« Sie war außer Atem, vor Schreck und Scham über den peinlichen Zusammenstoß wurde ihr ganz heiß im Gesicht. So kopflos übers Deck zu rennen, direkt in ihn hinein! Er hielt sie sicher für nicht ganz bei Trost. Sie fuhr mit der Hand zu ihren hutlosen Haaren hoch, bis ihr einfiel, dass sie ja auch keine Handschuhe trug; da ließ sie die Hand wieder fallen. Beim Gedanken, wie sie aussah, errötete sie aufs Neue. Mit ihrer ganzen Willenskraft zwang sie ihr Herz, wieder ruhiger zu schlagen, und sagte, so kühl sie konnte: »Ich hätte gern mein Stück Zeitung zurück. Bitte.«
    Er warf einen flüchtigen Blick auf den Artikel und überreichte ihn ihr mit einer Verbeugung.
    »›Die Frage des Wahlrechts‹. Eine ungewöhnliche Lektüre für eine junge Dame.«
    Ada ärgerte sich über sein ironisches Lächeln. Sie war es schon gewöhnt, für ihre Wissbegier verspottet zu werden. Aber die überlegene Miene des jungen Mannes erboste sie mehr als so manches Gestichel; mit ihren vielen Sorgen war sie belastet genug und daher ausgesprochen reizbar. »Nicht allen jungen Damen mangelt es so an Intelligenz, wie es gewisse junge Männer gern hätten«, sagte sie und nahm ihm das Papier aus der Hand. Dabei streifte sie seine Finger, und das Brennen kehrte in ihre Wangen zurück.
    Sofort fing ihr Herz wieder an zu rasen; sie drehte sich um und ging rasch davon. Sie zitterte. Vor Wut? Oder schwang da noch etwas anderes mit? Sie bereute ihre scharfen Worte bereits. So verhielt sich keine Lady. Das war würdelos. Aber sie fand es unerträglich, immer wie ein hirnloses Püppchen behandelt zu werden. Manchmal träumte sie, dass sie im Museum in einem Glaskasten eingesperrt war, dass von ihrem Schreien nichts nach außen drang und sie mit den Fäusten gegen die unsichtbaren Wände hämmerte, während alle Welt an ihr vorbeischlenderte, ohne sie zu bemerken.
    »Lady Ada!«
    Er folgte ihr. Woher kannte er ihren Namen? Natürlich dachte er jetzt, dass er das Recht hatte, vertraulich zu werden. Sie drehte sich um und öffnete den Mund, um ihn in seine Schranken zu verweisen, doch er war schneller.
    »Ich muss mich entschuldigen«, sagte er. Das klang durchaus ernst und aufrichtig. »Diese Bemerkung hätte sich ein Gentleman nicht erlauben dürfen, und ich habe Ihre Zurechtweisung verdient.«
    Sein Gesichtsausdruck war so ernsthaft und aufrichtig, dass Ada ganz ratlos war, wie sie sich nun verhalten sollte.
    »Ich glaube nicht, dass wir schon miteinander bekannt gemacht worden sind«, sagte sie.
    »Entschuldigen Sie; da haben Sie völlig recht.« Er verbeugte sich rasch, mit einer typisch indischen Bewegung, bei der Ada einen plötzlichen Stich von Heimweh verspürte. »Ich habe Sie im Speisesaal der ersten Klasse gesehen. Mein Name ist Ravi Sundaresan. Ich reise mit Mr Douglas Varley, um an der Universität Oxford zu studieren.«
    »Oh!« Die Falten auf Adas Stirn glätteten sich. Douglas Varley war ein alter Freund ihres Vaters und ein sehr einflussreicher Politiker. Die beiden Männer hatten ihre Bekanntschaft auf dem Schiff erneuert und verbrachten miteinander lange Stunden im Rauchsalon. Mit seinem dünnen grauen Schnurrbart erinnerte er sie an eine tote Maus. Aber wie er aussah, war schließlich egal; er war ihr gerade der liebste Mensch auf Erden, weil er sich nicht von ihrem Vater abgewendet hatte, sondern immer noch mit ihm sprach und damit die Gerüchte an Bord im Zaum hielt.
    Nun, eine korrekte Vorstellung, die der Etikette entsprach, war das trotzdem nicht, und Ada wusste, dass sie sich entfernen sollte. Aber der junge Mann stand da, die Hände in den Hosentaschen, und sah sie eindringlich an. Er hatte gleichzeitig etwas Sanftes und Unbändiges; irgendwie konnte Ada sich nicht von ihm losreißen.
    »Verzeihung«, sagte er. »Mir ist bewusst, dass ich Ihnen meine Bekanntschaft aufgedrängt habe. Ich habe ganz außer Acht gelassen, dass wir einander nicht offiziell vorgestellt worden sind.«
    Ada spürte, dass sie wieder errötete, und war dankbar für die Dunkelheit. »Ich … ich weiß Ihr Rettungsmanöver zu schätzen, Mr Sundaresan.« Sie deutete ein Nicken und einen Knicks an und kam sich sofort vor wie ein dummes, kleines Mädchen. »Die Rettung des Artikels, meine ich. Ich
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