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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier
Autoren: Gmeiner-Verlag
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uns wird es aus Tiefbrunnen in 150 Metern Tiefe gefördert. Die Qualität ist besser als das Trinkwasser in dieser Region.«
    »Wer liefert euch die Gerste, den Hopfen und die Hefe?«
    Ferdinand brachte es tatsächlich fertig, eines der unessbaren Weihnachtsgebäcksteine in den Mund zu nehmen und genüsslich zu zerkauen. Er schien Zähne aus Kruppstahl zu haben.
    »Schmeckt doch«, meinte er todernst, bevor er wieder zum Thema wechselte. »Die Gerste liefern uns hauptsächlich regional ansässige landwirtschaftliche Betriebe. Die Hefe ist ein Selbstläufer. Während des Gärens vermehrt sie sich, und der Überschuss kann für den nächsten Brauvorgang wiederverwendet werden. Der Hopfen kommt aus Hallertau in Bayern, das ist das größte Hopfenanbaugebiet der Welt. Die Wareneingangskontrolle hat allerdings bisher nie Beanstandungen ergeben. Das könnte sich auch kein Zulieferer erlauben, er wäre sofort raus aus dem Geschäft.«
    Wir schwiegen uns eine Weile an, doch mir kam keine Idee, wie man dieses Problem lösen konnte.
    »Ist Lehrer werden vielleicht doch eine Alternative?«, fragte ich halbherzig mit dem Hintergedanken, ihn etwas aufzumuntern.
    »Bleib bitte ernst, Reiner«, forderte mich Ferdi auf.
    »Verzeih bitte, aber wir stochern nur im Heuhaufen herum, ohne detaillierte Anhaltspunkte werden wir nicht weiterkommen. Spontan würde ich sagen, dass es die Leitungen sind. Es muss ja keine Absicht des Braumeisters sein.«
    Ferdinand Jäger nickte nachdenklich. »Kann sein, dass du nahe an der Wahrheit bist. Komm, ich zeige dir ein paar Geheimnisse unserer Brauerei.« Er stand auf.
    »Geheimnisse?« Ich schaute ihn ungläubig an. »Sind wir aus dem Alter nicht heraus?«
    »Wart’s nur ab. Andere fliegen nach Ägypten, um das zu sehen, was wir hier haben. Nur viel größer.«
    »Jetzt komm mir bitte nicht mit Pyramiden. Oder haben die Pharaonen auch Bier gebraut?«
    Ferdinand lachte. »Das haben sie in der Tat und nicht so wenig. Mit vergorenem Brotteig hat es wahrscheinlich vor Tausenden Jahren angefangen. Aber keine Angst, wir haben auf dem Betriebsgelände weder eine Pyramide noch einen Pharao. Das, was ich dir zeigen will, ist viel spektakulärer.«
    Er hielt kurz inne, bevor er lächelnd ergänzte: »Übrigens, was fast unbekannt ist: Das Wort Pyramiden ist durch einen Übertragungsfehler entstanden. Ursprünglich hieß es nämlich Bieramiden.«
    Meinem Freund war es gelungen, mich neugierig zu machen. Ich trank mein Glas leer und folgte ihm die Treppe hinauf ins Freie. Der Nieselregen hatte keinen Deut nachgelassen. Ferdinand ging ein Stück entlang des lang gezogenen Gebäudes, um es durch ein großes, offen stehendes Tor zu betreten. Wir kamen in einen recht üppigen Raum, auf dessen gegenüberliegender Seite sich ebenfalls ein offenes Tor befand. Direkt hinter dem Gebäude fuhren auf einer großen Freifläche mehrere Gabelstapler umher. Ferdinand zeigte in der Ecke des Raums auf mehrere Dutzend Packkartons, die auf drei oder vier Paletten lagerten.
    »In allen Kartons befinden sich Dosen mit Hopfenextrakt. Das Extrakt bekommen wir fix und fertig zugeliefert. Es ist der teuerste Rohstoff. Die Verwendung wird stets genau protokolliert. Fehlmengen würden sofort auffallen.«
    »Ist das so tragisch, wenn da mal ein paar Kilogramm fehlen? So teuer wird’s ja nicht sein, sonst könnte niemand das Bier bezahlen.«
    »Im Prinzip hast du recht, Reiner. Hier handelt es sich aber um Extrakt. Kleinste Mengen reichen für den Brauvorgang aus und sind dementsprechend teuer. Jede Dose ist einzeln nummeriert und wird vom Braumeister in der Verbrauchsliste eingetragen. Das ist auch für das Finanzamt wichtig. Die Höhe der Biersteuer richtet sich nach dem Stammwürzegehalt. Unter anderem wird anhand des Hopfenverbrauchs und der Ausstoßmenge der verschiedenen Biersorten die Steuerabgabe berechnet.«
    Er ging weiter zum Freigelände hinter dem Gebäude. Rechterhand standen eine ganze Reihe Gärtanks in Reih und Glied. Diese kannte ich bereits von früheren Besuchen. Unmittelbar hinter den Tanks gingen wir nach rechts ins Sudhaus. Das Sudhaus, in dem das Bier gebraut wurde, war hell und freundlich eingerichtet. Dieses Herz einer jeden Brauerei war der Mittelpunkt für Brauereiführungen. Mehrere riesige Kessel, die mal Pfanne und mal Bottich hießen, mussten die Zutaten durchlaufen, bis sie schließlich gekühlt und in den Gärtanks mit Hefe versetzt wurden.
    Ferdinand ging an Maischpfanne, Läuterbottich und Würzepfanne
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