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Rächerin der Engel

Rächerin der Engel

Titel: Rächerin der Engel
Autoren: Mary Stanton
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habe, brauchst du ja nicht unbedingt zu erwähnen, dass das eine Highschoolaufführung war.«
    Deshalb hatte Bree den größten Teil des Vormittags damit verbracht, ihre Schwester dazu aufzufordern, den Mund zu halten, oder ihr damit zu drohen, nach Hause zu gehen.
    »Weißt du, Tonia«, sagte sie, während sie sich vorbeugte, um sich den Schreibtisch genauer anzusehen, »das ist gar keine so große Zeitverschwendung, wie ich ursprünglich dachte. Die haben hier ein paar ziemlich coole Sachen. Fass doch mal das Leder an. Wie Seide.« Sie legte die Hand auf die Schreibtischplatte und strich darüber.
    Helfen Sie mir!
    Bree sprang zurück, als hätte sie sich verbrannt. Die Lautlosigkeit des plötzlichen Schreis ließ ihn umso qualvoller erscheinen.
    HELFEN SIE MIR!
    Wie von Zauberhand geriet die Luft über der Tischplatte in Bewegung. Bree atmete tief durch und sah sich vorsichtig um. Antonia war ein Stück weitergegangen, um sich den Inhalt einer Vitrine anzusehen. Am Ende des schmalen Gangs, der sich durch die Auktionsgegenstände schlängelte, nahm Bree ein paar Leute wahr. Im Moment stand sie allein vor dem Schreibtisch.
    Der Strudel kalter Luft schraubte sich in die Höhe. Bree streckte die Hand aus, um den Schreibtisch von Neuem zu berühren. Die Luft verdichtete sich zu einem grau-weißen Nebel.
    Lasst mich raus. Lasst mich raus. LASST MICH RAUS !
    Inmitten des nebligen Schleiers manifestierte sich eine knochendürre Hand und streckte sich flehend vor. Bree wusste immer noch nicht so recht, wie sie sich in einer solchen Situation zu verhalten hatte. Sollte sie etwa versuchen, der gespenstischen Hand ihre Visitenkarte zu überreichen? Nicht zum ersten Mal wünschte sie, dass ihren potenziellen Klienten bessere Möglichkeiten der Kommunikation zu Gebote stünden. Da es ihr die Umstände nicht gestatteten, direkt mit der Leiche zu konferieren, wäre ein Anruf immerhin eine schöne Sache gewesen. Noch besser hätte sie allerdings eine E-Mail gefunden.
    »Mr. O’Rourke?«, flüsterte Bree. Da sie sich irgendwie verpflichtet fühlte, ihrem Klienten mitzuteilen, wo sie zu finden war, fügte sie, während sie ihre Visitenkarte auf den Schreibtisch legte, hinzu: »Ich heiße Brianna Winston-Beaufort. Ich bin Rechtsanwältin und kann Ihnen helfen. Mein Personal besteht aus Engeln, und ich vertrete tote Seelen, die nach ihrer Verurteilung in Berufung gehen möchten. Unser Büro befindet sich in der Angelus Street 66 hier in Savannah. Können Sie mir sagen, was für ein Problem Sie haben?« Während sie kurz nachdachte, fiel ihr Benjamin Skinner ein. »Sie können mich auch anrufen. Die Handynummer steht auf der Karte.«
    ICH WILL NACH HAUSE !
    »Hm«, erwiderte Bree taktvoll. »Das ist natürlich nicht möglich. Aber wir können auf jeden Fall versuchen, dafür zu sorgen, dass Sie in eine angenehmere Umgebung kommen. Könnten Sie mir vielleicht sagen, wo Sie sich zurzeit befinden?« Sie presste die Zähne aufeinander. Sie hatte sich immer noch nicht an das alles gewöhnt. Wenn dies Mr. O’Rourke war – und wer außer dem toten Finanzmann sollte es denn sonst sein? –, musste er eine Menge auf dem Kerbholz haben. Sie vermutete, dass er sich irgendwo in den unteren Kreisen der Hölle befand. Und es war sehr schwer, ihn überhaupt zu hören. Die Gespräche mit ihren Klienten wurden stets von der Anklagevertretung gestört. Je verzerrter der Ton schien, desto schwerer das Verbrechen, und desto mehr stand auf dem Spiel.
    »Sir?«, fragte Bree.
    Helfen Sie mir … ich habe zurückgeblickt. Ich habe zurückgeblickt.
    Die Hand ballte sich zur Faust, die sich gleich darauf wieder öffnete und Bree entgegengestreckt wurde – wie die eines Bettlers, der um ein Almosen bittet.
    Der grau-weiße Nebel verflüchtigte sich. Bree stand da und blickte auf den glatten Lederbezug des Schreibtischs, der vermutlich aus dem Empire stammte und auf dem sich jetzt nur noch das Tintenfass und das Cloisonnégefäß befanden. Das kunstvoll emaillierte Gefäß gefiel ihr sehr gut. Weniger gut gefiel ihr allerdings die Tatsache, dass sie außer Mr. O’Rourkes dringendem Wunsch, nach Hause zurückzukehren, so gut wie keine Anhaltspunkte hatte.
    »Bree!« Der allzu menschliche Schrei ihrer kleinen Schwester brachte Bree sehr plötzlich wieder zu sich. »Die Auktion fängt an. Wir müssen unbedingt zusehen, dass wir ganz vorne sitzen.«
    »Mr. O’Rourke?«, wiederholte Bree ein wenig lauter als zuvor. Sie strich mit der Hand über das Leder. An
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