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Rache: Die Eingeschworenen 4

Rache: Die Eingeschworenen 4

Titel: Rache: Die Eingeschworenen 4
Autoren: Robert Low
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schließlich hatte er die Große Stadt namens Konstantinopel gesehen, die man hier Miklagard nannte und von der man mit so ehrfürchtiger Stimme sprach wie von Legenden. Doch Krähenbein war dort gewesen, er war wie im Traum in der Nachmittagshitze auf den Terrassen herumgeschlendert, wo Blumen in verschwenderischer Fülle blühten und kühle Fontänen spielten, ein Geschenk Ägirs, des Wassergottes.
    Er war in der Umgebung der Hagia Sophia gewesen, dieses riesige Skaldengedicht aus Stein, gegen das der Dom von Hammaburg nichts weiter als ein hölzernes Bootshaus war. Sämtliche Straßen zur Hagia waren mit runden, grauen Steinen gepflastert gewesen, erinnerte Krähenbein sich, mit farbigen Kieseln dazwischen und Tauben, die zu faul waren, um zu fliegen, und einem zwischen den Füßen herumliefen.
    Hier in Hammaburg gab es Priester in braunen Kutten, die an Glocken schlugen und ihre Sprechgesänge rezitierten, denn hier war man ziemlich heiß auf den Weißen Christus, so sehr, dass die Dänen Bischof Ansgar, den Apostel des Nordens, schließlich satthatten und ihm das Dach über dem Kopf anzündeten, ehe sie auf dem Fluss weitergefahren waren. Aber das war vor mehr als hundert Jahren geschehen, sodass es kaum noch Spuren dieser Gewalttaten gab, und Krähenbein hatte gehört, dass die Priester von Hammaburg trotzdem weiterhin im Norden missionierten– unaufhaltsam wie ein Felsbrocken, der bergab rollt.
    Krähenbein war wenig beeindruckt von dem Eifer dieser Mönche mit ihren rasierten Köpfen, denn er wusste, wenn man die Macht des Weißen Christus richtig spüren wollte, dann war Miklagard, der Nabel der Welt, der richtige Ort dafür. Die bärtigen Priester der Großen Stadt saßen auf den Mauern und an den Straßenecken, sogar auf Säulen saßen sie und predigten ihren Glauben und stritten miteinander; in Miklagard, so schien es Krähenbein, war jeder ein Priester. Die Tempel dort konnten vergoldete Kuppeln haben, doch manchmal genügten auch vier weiße Wände und ein einfaches Dach mit einem Kreuz darauf.
    In Miklagard war es unmöglich, Brot zu kaufen, ohne gleichzeitig vom Bäcker eine Predigt über seinen Gott zu hören. Sogar Huren ließen sich, während sie ihr Hemd hochschoben, in Diskussionen darüber ein, wie viele Christen-Walküren gleichzeitig in einen bestimmten Raum passen würden. Huren hatte Krähenbein in der Großen Stadt auch kennengelernt.
    Die Huren in Hammaburg dachten nur an Geld. Hier hing der Seenebel dick wie nasse Seide in der Luft, und die Christus-Anhänger schwitzten und stöhnten und lagen auf den Knien, ängstlich bemüht, ihren Gott zu beschwichtigen, denn die Erde hatte gebebt, und laut einiger englischer Mönche war ein feuriger Drache übers Land gegangen, ein sicheres Zeichen, dass das Ende der Welt bevorstand, wie ein alter Seher es prophezeit hatte, nämlich tausend Jahre nach der Geburt ihres gemarterten Gottes. Die Zeit wurde kurz – jedenfalls schien es so.
    Krähenbeins Männer lachten darüber; die meisten von ihnen waren ehrliche slawische Rus und aßen Pferdefleisch, was sie in den Augen guter Christen zu Heiden machte. Doch sie alle wussten, falls tatsächlich Rokkr, die Zeit des Zwielichts, angebrochen war, dann konnten alle Glocken und Gesänge der Christen nichts dagegen ausrichten. Denn auf den Weltuntergang hatten die Götter keinen Einfluss, und es war ihr wyrd, zusammen mit allen Menschen zu sterben.
    Harek, der den Beinamen Gjallandi trug, fügte hinzu, dass kein Betteln und Beten Loki davon abhalten würde, die Erde zu falten und nach seiner Frau zu rufen, sie solle sich beeilen und die Schüssel bringen, damit das Gift der Weltenschlange nicht auf sein Gesicht tropfte. Er erzählte das mehrmals und ziemlich laut, wie es von einem Skalden mit dem Beinahmen Dröhner nicht anders zu erwarten war, und alles seufzte, sobald er den Mund aufmachte.
    Selbst wenn die Männer aus dem Norden die wahren Zusammenhänge kannten, verursachte es ihnen doch eine Gänsehaut, wenn Loki die Erde faltete. Vielleicht spürten sie, dass keine Macht und kein Glaube sie vor dem Untergang schützte.
    Krähenbein hingegen fand die Arroganz dieser Christus-Anhänger einfach unglaublich. Sie glaubten tatsächlich, dass mit der Geburt ihres Gottessohnes die letzten tausend Jahre der Welt angebrochen seien und diese Zeit fast um war. Nach ihrer Rechnung waren es gerade noch zwanzig Jahre; dann würden Christenkinder, die jetzt geboren wurden, junge Männer sein, und ihre Eltern würden
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