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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz
Autoren: Ralf Kramp
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hatte. Er hatte sein Hobby schon bald zum Beruf gemacht und ging in seiner Arbeit voll auf. Der Computerjob in Köln vereinnahmte ihn ganz und gar. All die Schulungen, die Seminare. Die Reisen kreuz und quer durch die Republik, in die Staaten ...
    Richard Kley war nie ein Streber gewesen. Seine schulischen Erfolge kassierte er mit der zufriedenen Gelassenheit eines serienmäßigen Gewinners ab. Wenn er seine Mitschüler jemals mit etwas genervt hatte, dann war es eher seine schamlose Tiefstapelei, die die anderen beschämte. Ein echter   winner , dieser Richard Kley. Herbie selber hatte immer neidvoll zu ihm emporgeblickt und hatte verständnislos mitverfolgt, wie Richard seine Freundinnen wechselte wie Herbie das kleine metallene Monatskalenderchen an seiner Armbanduhr.
    Herbie selbst flüchtete sich damals in die absolute Unscheinbarkeit, und es schien ihm nichts erstrebenswerter, als farblich und strukturell mit der Tapete zu verschmelzen, vor der er sich gerade eben befand.
    Du warst ein echter Draufgänger, was? Jammerschade, dass ich dich damals nicht kannte. Du hättest gewiss ein paar meiner aufbauenden Ratschläge gebrauchen können , sagte Julius näselnd und schickte ein schnarchendes Kichern hinterher, um die ironische Note seiner Bemerkung zu unterstreichen.
    Der Taxifahrer betätigte kurz das Fernlicht und schimpfte halblaut einem entgegenkommenden Fahrzeug hinterher, das nicht rechtzeitig abgeblendet hatte. Sie überquerten hoppelnd die Eisenbahnschienen bei Kirspenich. Über Bad Münstereifel leuchtete der Himmel gelblich vom warmen Licht der Burg- und Stadtbeleuchtung.
    Als Herbie so an seine Schulzeit zurückdachte und sich die ein oder andere der allzu häufigen Gelegenheiten ins Gedächtnis zurückrief, bei denen er am liebsten vor Scham im Fliesenboden oder oftmals auch im Kunststoffbodenbelag der Turnhalle versunken wäre, da wusste er plötzlich, warum Richard geflohen war. Er wusste, dass es in einem kleinen Dorf tödlich sein konnte, ins Gerede zu kommen. Er wusste, was das für ein Gefühl war, wenn man verlacht wurde, und er ahnte, wie viel schlimmer es sein musste, wenn es zum ersten Mal geschah. Wenn man es nicht gewohnt war, traf es einen vermutlich viel härter. Da konnte man vielleicht gar nicht anders als die Flucht ergreifen.
    »Ich habe mit Rosi telefoniert.« Richard blickte aus dem Fenster. Sein Gesicht war ausdruckslos und verschlossen.
    Herbie war verblüfft. Was hatte Richard vor? Sollte nach zwei Jahren das Kriegsbeil begraben werden? War diese Liebe stark genug gewesen, um sich jetzt zu regenerieren?
    »Sie hat mich in Sydney in der Firma erreicht. Es geht um den Tod meines Onkels. Onkel Paul aus Buchscheid. Du kennst ihn nicht, glaube ich.« Er steckte sich eine Zigarette an. »Fand ich nett.«
    »Ihr habt die ganze Zeit nicht miteinander gesprochen?«
    Richard schüttelte den Kopf und blickte wieder aus dem Fenster. Die kantigen Strukturen des Iversheimer Lärmschutzwalls rauschten an ihnen vorbei. »Ich hab’s nicht fertiggebracht. Ich bin noch nie gut im Verzeihen gewesen. Ich wollte einfach nicht zurückblicken. Schließlich hat sie ...«
    Er ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen. Er wusste, dass Herbie im Bilde war. Es hatte sich im Nu herumgesprochen. Sie hatte ihn zum Gespött des Dorfes gemacht. Wäre Richard alleine nach Hause gekommen, hätte vielleicht niemals jemand etwas erfahren. Aber soweit Herbie sich an das ihm Erzählte erinnerte, war irgendjemand bei ihm gewesen. Irgendjemand aus dem Dorf, der den Mitgliedsbeitrag für den Karnevalsverein kassieren wollte. Das machte man noch so in Buchscheid. Von Tür zu Tür. Und dann hatten sie es gesehen. Das, was der Kassierer und auch Richard bestenfalls aus irgendwelchen Filmen kannten, was auf der Leinwand und auf dem Bildschirm ganz natürlich daherkam, was Männerherzen vor Freude hüpfen ließ.
    Richards Herz hatte nicht gehüpft, als er Rosi entdeckte. Vollkommen nackt. In trauter Zweisamkeit mit ihrer besten Freundin Bea. Auf dem Sofa und mit einer Flasche Wein. »Softporno live«, so hatte es der Kassenwart der Karnevalsgesellschaft   Löstige Höhner Bösched 1956 e.V . später grölend bei irgendeiner Gelegenheit in der Dorfkneipe formuliert. Vermutlich war es dem Überraschungseffekt zu verdanken, dass Rosi und ihre Freundin es schafften, sich rechtzeitig wieder in ihre Textilien zu hüllen, bevor sich der Rest der karnevalistischen Vereinigung zusammenfand.
    »Ich weiß noch gar nicht so
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