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Quitt

Quitt

Titel: Quitt
Autoren: Theodor Fontane
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ausgezeichnet zu sehen und Ehre vor den Menschen zu haben, war das, wonach ihm zumeist der Sinn stand. Sein Hühnerhund Diana, der darauf dressiert war, die Predigt draußen auf einer von der Sonne beschienenen Kiesstelle zu verschlafen, folgte dicht hinter ihm, ein schönes, schwarz und weiß geflecktes Tier.
    Und keine halbe Stunde, so bog er in Krummhübel ein, drin eine sonntägliche Stille herrschte. Links lief ein Wässerchen und schäumte, Hühner und Sperlinge pickten überall umher, wo eine Krippe gestanden hatte, und in der offenen Haustür lehnten einzelne Dorfbewohner und genossen der Sonntagsruhe.
    »Guten Tag, Herr Förster«, sagte Gerichtsmann Klose, seine Pfeife respektvoll aus dem Munde nehmend, und »Guten Tag, Herr Förster«, wiederholte die nebenan wohnende, für gewöhnlich mit ihren Gunstbezeigungen etwas kargende Frau Böhmer den Gerichtsmann Kloseschen Gruß auch ihrerseits und trat aus ihrem Kramladen in die Dorfstraße hinaus, um dem Vorübergehenden die Hand zu geben, ja, sie schien ihn sogar anreden zu wollen. Des Försters Haltung aber war so steif und gemessen, daß selbst Frau Böhmer mit ihrer Frage zurückzuhalten für gut fand.
    Und nun noch hundert Schritte, so stand unser Förster Opitz vor Exners »Schneekoppe«, trat aber nicht über den Schwellstein in den Flur, sondern bog gleich daneben in einen von einem Staketenzaun eingefaßten Garten ein, in dem, um einen plätschernden Springbrunnen herum, und zugleich in Front einer großen Veranda, viele Sommergäste saßen. Sich diesen zu gesellen fiel Opitz aber nicht ein, weil er im Vorübergehen herausgehört hatte, daß es Berliner waren, also Leute, von deren eigener Eingebildetheit er für die seinige nicht viel zu hoffen hatte. So ging er denn lieber auf eine kleine, von wildem Wein umwachsene Holzlaube zu, wo noch niemand saß, und ließ sich hier an einem langen, braungestrichenen Eßtisch nieder, von dem aus, unmittelbar an der Wand daneben, ein Klingeldraht nach dem Wirtshause hinüberführte. Diesen zog er. Die Bedienung war aber einigermaßen säumig, was ihn, weil er eine Verkennung seiner Wichtigkeit und Würde darin erblickte, sofort heftig ärgerte. Wirklich, sein ohnehin etwas auf Schlagfluß deutendes Gesicht wurde von Minute zu Minute röter, und erst den Hut vom Kopf nehmend und gleich danach das Sacktuch aus seiner Tasche ziehend, begann er sich in nervöser Unruhe bald mit dem einen, bald mit dem andern zu beschäftigen. Endlich kam die Bedienung, eine schöne schwarze Person, von der es hieß, daß sie Kunstreiterin gewesen und als Kind durch fünf Reifen gesprungen sei, was ihr jetzt freilich etwas schwer hätte werden sollen, und entschuldigte sich, daß der »Herr Förster« so lange habe warten müssen.
    »Schon gut, Marie, schon gut.«
    Und nun bestellte er eine Kulmbacher und ein Schnitzel. »Aber ohne Kapern und Sardellen!«
    Die Kulmbacher kam denn auch bald, aber das Schnitzel au naturel ließ auf sich warten, und in der ihm sofort wiederkehrenden Unruhe nahm er diesmal, statt des Sacktuches, ein Notizbuch aus seiner Tasche und begann Einzeichnungen zu machen, die, seiner Miene nach, von besonderer Wichtigkeit sein mußten. In Wahrheit aber waren es bloß Krickelkrakel, bei deren gedankenloser Hinmalung er, aller Aufregung und Wichtigtuerei zum Trotz, nach der großen Veranda und den in Front derselben stehenden Tischen hinübersah.
    Der ihm zunächst stehende Tisch war der unzweifelhaft anziehendste: zwei Herren und eine Dame saßen daran, mit ihnen zwei hübsche Kinder. Letztere freilich waren von einer Beweglichkeit, daß man sie kaum noch als Tischgäste rechnen konnte, woran, neben angeborener Fahrigkeit, vor allem der Springbrunnen schuld war, von dessen Staubregen sich treffen zu lassen ein nicht enden wollendes Vergnügen für sie war. Die weißen Waschkleider machten denn auch bereits ihrem Namen Ehre und wurden in ihrer Durchnäßtheit nur noch von dem blonden Haar übertroffen, das in einzelnen langen Strähnen bis auf die rosafarbenen Schärpen herabhing.
    »Geraldine«, sagte der ältere der beiden Herren, indem er sich der, trotz ihrer neununddreißig, immer noch sehr schönen Dame zuwandte, »du solltest es ihnen verbieten. Es ist weder opportun noch sanitätlich zulässig.«
    »Aber unterhaltlich und vergnüglich«, antwortete die Dame mit sehr überlegener Miene. »Nur keine Philistereien, Espe; dazu hast du zu Hause Zeit genug, in unserem lieben schrecklichen Berlin. Es wird sich ja
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