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Projekt Omega

Projekt Omega

Titel: Projekt Omega
Autoren: Peter Mennigen
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Das Einzige, was er niemals vergaß, war sein Bauch. Davon zeugten ein halbes Dutzend ausgedienter Pizzakartons und Colabecher, die die Konsole verunstalteten.
    »Hallo, Zeery«, hörte er Cottons Stimme in seinem Rücken. »Darf ich dich kurz stören?«
    »Was kann ich für dich tun, was offenbar nicht warten kann, bis ich meine Arbeit erledigt habe?«, seufzte Zeerookah.
    »Ich wollte dich bitten, mir ein paar Sexfilme zu besorgen.«
    »Was?« Zeerookah fuhr herum wie von der Tarantel gestochen.
    »Was die Auswahl angeht, vertraue ich deinem erlesenen Geschmack«, fügte Cotton rasch hinzu. »Ich bräuchte die Filme allerdings schnell, möglichst sofort.«
    Zeerookahs immer größer werdende Augen klebten förmlich auf dem Bittsteller. »He, Alter, du scheinst es ja bitter nötig zu haben. Hätte ich bei einem Frauenflüsterer wie dir gar nicht gedacht.«
    »Ich brauche die Filme für Feldstudien.«
    »Na klar, wofür sonst?« Übers ganze Gesicht strahlend, wuchtete Zeerookah sich aus seinem Drehstuhl. »Unser Job wird von Tag zu Tag interessanter. Soll noch einer behaupten, das G-Team hätte bei seinen Einsätzen keinen Spaß.«
    »Und lass dir eine Quittung über die Filme geben«, rief Cotton ihm hinterher.
    Doch das bekam Zeerookah nicht mehr mit. Er war bereits zur Tür hinaus.
*
    Am späten Vormittag verließ auch Cotton das HQ und fuhr mit seinem Dienstwagen zum Theatre District am Times Square. Von dort bog er in die 42nd Street. In der schmuddeligen Seitenstraße lagen die Dinge etwas anders als im »Mittelpunkt New Yorks« mit seinen prächtigen Leuchtreklamen. Nur wenige Ecken von dem Touristenmagneten entfernt fand man sich unvermittelt in der Halbwelt des New Yorker Rotlichtmilieus wieder. Statistisch war dies eine der gefährlichsten Gegenden der Stadt. Zumindest was Kleinkriminalität wie Diebstahl und Körperverletzung anging. Das Areal galt als Sammelbecken für Hehler, Zuhälter und Kleinganoven sämtlicher Couleur.
    Cotton setzte den Wagen in eine Parklücke und stieg aus. Bei Tag wirkte die Gegend noch trostloser als bei Dunkelheit, wenn grellbunte Neonreklamen für billigen Sex warben.
    Die Straße selbst bestand aus einer Ansammlung schiefer, aneinandergeschmiegter Altbauten, deren abgeblätterte Fassaden zu schmal für ihre Höhe wirkten. Jedes Gebäude war eine Klasse für sich in puncto Hässlichkeit. Die meisten Läden hatten noch geschlossen. Hinter vergitterten Fenstern im Parterre reihten sich Sexshops, Massagesalons, Stripbars und Hardcore-Kinos Wand an Wand. In den oberen Etagen wohnte niemand, sofern er woanders eine Bleibe finden konnte.
    Cotton verriegelte die Wagentüren elektronisch und sah sich verstohlen um, ob jemand ihn beobachtete. Doch er weckte lediglich das Interesse einiger streunender Katzen, die überquellende Abfalltonnen nach Essensresten durchwühlten. An einem Straßenschild standen zwei Straßenkehrer, die eigentlich die Gosse vom Müll befreien sollten. Stattdessen lamentierten sie über ihr Pech, das sie angeblich ihr Leben lang begleitete.
    Cotton steckte den Autoschlüssel in die Tasche seiner Lederjacke. Lässig überquerte er die Fahrbahn, deren Asphalt von Rissen in Gestalt gigantischer Spinnennetze überzogen war.
    Er wirkte, als wäre er nicht sicher, wohin er gehen sollte. Nichts an seinen Bewegungen war auffällig, und genau das beabsichtigte er auch. Nicht weil er fürchtete, mit hiesigen Kriminellen aneinanderzugeraten. Mit denen würde er fertig. Er wollte nur keine Neugierde wecken. Es sollte so aussehen, als hätte ihn der Zufall in diese Straße verschlagen und keine polizeiliche Ermittlung.
    Nach wenigen Minuten erreichte er sein Ziel. Er verweilte einige Sekunden vor einem Schaufenster, das eine Patina aus schwarzbraunem Staub überzog. Hinter der Scheibe lockten vom Sonnenlicht ausgeblichene Sexfilmcover mit falschen Versprechungen von Liebe und Glück.
    Cottons Interesse galt allerdings weniger dem Sexshop, als dessen Inhaber Eric Styles, den Mr Highs Dossier als ehemalige Größe in der lokalen Sexbranche beschrieben hatte.
    Der G-Man drückte die Ladentür gegen den Widerstand des von Verwitterung und Feuchtigkeit verzogenen Rahmens auf und betrat einen schmalen Verkaufsraum. Die Luft, die ihm entgegenschlug, war ein stickiges Gemisch aus Schweiß, Zigarettenqualm und einem undefinierbaren Gärgeruch. Das spärliche Ambiente beschränkte sich auf einen abgewetzten Filzteppich und einen wuchtigen Verkaufstresen aus den Anfangstagen der
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