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Projekt Omega

Projekt Omega

Titel: Projekt Omega
Autoren: Peter Mennigen
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aufspüren könnten, falls es ihn überhaupt gab. Inzwischen war er nicht mehr so hoffnungsvoll, wie er sich Decker und High gegenüber gegeben hatte.
    Möglicherweise wäre das ein guter Grund, die Strategie nochmals zu überdenken. Andererseits steckten sie für einen Rückzieher schon zu tief in den Vorbereitungen. Außerdem fehlte es an Alternativen, einem »Plan B«.
    Cotton schluckte schwer. Falls sein Plan schiefging und Decker bei dem Einsatz etwas zustoßen sollte, ging es auf seine Kappe.

3
    Der nächste Morgen begann sonnig und warm, mit einem tiefblauen Himmel. Cotton hatte die Nacht kaum ein Auge zugetan, zu sehr hatte ihn die Sorge um Decker beschäftigt.
    Entsprechend zerschlagen saß er im HQ. Mit rotgeränderten Augen las er am Computer Highs Dossier über die Größen in der Schmuddelfilmbranche. Das meiste war belangloser Kram, den er entweder schon kannte oder dessen Informationsgehalt ohne Relevanz für den Fall »Joan Fallon« war. Dann aber stieß er auf etwas, das seine Aufmerksamkeit weckte. Bis vor etwa zehn Jahren war ein gewisser Eric Styles die große Nummer in der New Yorker Sexfilmbranche gewesen. Mehr als eine Dekade hatte er Pornos am Fließband produziert, bis er plötzlich von heute auf morgen aus dem Geschäft verbannt worden war. Dass Styles sein Revier nicht freiwillig geräumt hatte, lag auf der Hand. Irgendwer hatte ihn verdrängt und sich den lukrativen Markt unter den Nagel gerissen.
    Diese neue Nummer eins musste über sehr überzeugende Argumente verfügt haben. Über die Identität des Betreffenden gab das Dossier keine Auskunft. Die interessierte Cotton im Moment auch weniger als eine andere Information: Eric Styles lebte immer noch in New York und hielt sich als Inhaber eines Sexshops über Wasser. Nach seinem sozialen Absturz sann er womöglich immer noch auf Rache.
    Cotton erkannte seine Chance. Wenn er die Sache richtig anpackte, war Styles möglicherweise der Schlüssel, der ihm die Tür in die Rotlichtszene öffnete. Andernfalls stieß er wahrscheinlich auf eine Mauer aus Misstrauen und Ablehnung. Mit einem alten Hasen wie Styles an seiner Seite konnte dieses Hindernis umgangen werden.
    Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Überlegungen. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Decker.
    »Guten Morgen, Cotton«, sagte sie. »Sie sehen aus, als hätten Sie die Nacht über kein Auge zugetan.«
    Schlaftrunken schwenkte der G-Man seinen Bürostuhl herum, bis er Decker im Blickfeld hatte. Sie saß am anderen Ende des Großraumbüros an ihrem Schreibtisch und blickte in seine Richtung. »Muss ja eine wahnsinnig heiße Mieze gewesen sein, die Ihnen den Schlaf geraubt hat.«
    »Dem kann ich nicht widersprechen«, gestand er, ohne zu erwähnen, dass es sich bei der »heißen Mieze« gewissermaßen um seine Gesprächspartnerin handelte. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
    Decker beugte sich vor, schirmte die Sprechmuschel mit einer Hand ab und flüsterte: »Ich habe ein ernsthaftes Problem. Dürfte ich Sie um Rat bitten?«
    Cotton stutzte. Dass seine Partnerin ihn um einen Ratschlag bat, kam in etwa mit derselben Häufigkeit vor wie ein Schneesturm zur Mittagszeit in der Sahara.
    »Worum geht es denn?«
    »Gewissermaßen um eine Art Bildungslücke. Sie könnten mir ein paar Anregungen geben.«
    »Was für Anregungen?«
    »Was die Arbeitsplatzbeschreibung einer Pornoqueen angeht. In Sachen Sexfilme bin ich … nun ja, unerfahren. Ich habe mir nie so was angesehen. Im Gegensatz zu Ihnen, nehme ich an.«
    »Sie haben noch nie einen Sexfilm gesehen?«, vergewisserte er sich ungläubig. »In Ihrem Alter?«
    »Was soll das heißen, in meinem Alter?« Ihre Stimme bekam einen lauernden Tonfall.
    »Konzentrieren wir uns lieber auf Ihre Bildungslücke, die sich leicht schließen lässt«, brachte Cotton das Gespräch rasch auf das eigentliche Thema zurück. »Ich lasse Zeerookah etwas Anschauungsmaterial für einen Crashkurs besorgen.«
    »Ich kann es kaum erwarten.« Damit legte sie auf, schnappte sich Mantel und Handtasche und rauschte im Stechschritt aus dem Büro.
    Cotton bahnte sich einen Weg durch das Labyrinth von Schreibtischen zu Zeerookahs Arbeitsraum. Der IT-Experte saß wie immer an seinem Computerterminal, das dem Kommandopult des Raumschiffs Enterprise hätte Konkurrenz machen können. Gebannt starrte er auf einen 40-Zoll-Monitor, über den kryptische Zahlenkolonnen huschten.
    Wenn Zeerookah sich auf seinen Monitor konzentrierte, vergaß er die Welt um sich herum.
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