Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Printenprinz

Printenprinz

Titel: Printenprinz
Autoren: Kurt Lehmkuhl
Vom Netzwerk:
kennen. Aus Huppenbroich war der Mensch nicht. Mittlerweile kannte Böhnke so ziemlich alle der rund 440 Einwohner des abgelegenen Dorfes. Der Mann im eleganten, dunklen Mantel war weit über 70, schätze er, aber noch voller Schwung. Mit strammem Schritt näherte sich der Fremde der Bank, auf der Böhnke gelassen sitzen blieb, lupfte den dunkelbraunen Hut und zeigte sein volles, schlohweißes Haar.
    »Entschuldigen Sie die Verspätung, Herr Böhnke. Aber ich habe eine Ewigkeit gebraucht, ehe ich Huppenbroich gefunden habe und dann bin ich lange von meinem Parkplatz bis zum Friedhof gelaufen. Das kommt davon, wenn so ein alter Knacker wie ich nichts mit einem Navigationssystem anfangen kann. Die Nordeifel ist für so eine Großstadtpflanze wie ich, die nie richtig aus Aachen rausgekommen ist, schon fast Terra incognita.« Er lächelte unsicher. »Sie sind doch Herr Böhnke? Oder etwa nicht?«
    Der Pensionär nickte und bot den Platz an seiner Seite an. Er gab sich betont reserviert. Solange er nicht wusste, was der Fremde im Schilde führte, blieb er auf Distanz. Er musste schlucken, als dieser sich zu erkennen gab und seinen Namen nannte.
    »Von Sybar, mein Name. Heinrich von Sybar.«
    Er wusste schlagartig, wen er vor sich hatte. Einer der Printenkönige von Aachen saß höchstpersönlich neben ihm. Böhnke konnte nur schweigend staunen. Was für ein Ei hatte ihm Grundler da wieder ins Nest gelegt? Was trieb einen der reichsten und untadeligsten Menschen aus der Region an seine Seite? Er sah von Sybar musternd ins Gesicht, bemerkte dessen klare, blaue Augen und meinte schmunzelnd: »Böhnke, mein Name. Rudolf-Günther Böhnke.«
    Beide blieben stumm nebeneinander sitzen und schauten über die Grabflächen durch die Buchen hinaus auf die grünen Hügel am Horizont.
    Böhnke sah keinen Grund, das Gespräch zu eröffnen. Schließlich wollte von Sybar etwas von ihm und nicht er etwas vom Printenkönig.
    »Hm.« Von Sybar räusperte sich. »Schön haben Sie es hier. So viel Natur macht mich fast schon sprachlos. Und dann …«
    Böhnke wusste, was kommen würde. Darauf hätte er wetten können.
    »Diese Ruhe. Hier ist es so ruhig, dass man die Ruhe schon wieder hören kann. Einfach schön.«
    An Böhnke war es nicht, die Ruhe zu unterbrechen. Von Sybar sollte sagen, was Sache ist.
    »Grundler hat Sie vorgewarnt?«
    »Ja und nein«, antwortete Böhnke. »Er hat mir gesagt, dass mich ein Mandant besuchen werde. Er hat mir aber nicht gesagt, dass Sie es sind, Herr von Sybar.«
    »Was ja im Prinzip auch richtig ist«, behauptete von Sybar. »Immerhin vertritt er meine Interessen und braucht meinen Namen nicht überall hinauszuposaunen.«
    Böhnke kommentierte die Bemerkung nicht. Er wusste, dass von Sybar sehr zurückhaltend lebte und gesellschaftlichen Kontakt scheute. In der Öffentlichkeit sah man ihn im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern höchst selten; allenfalls dann, wenn er eine seiner großzügigen Spenden an soziale Einrichtungen leistete.
    Von Sybar spielte verlegen mit dem Hut auf seinen Oberschenkeln, als sei ihm die Unterhaltung unangenehm.
    »Um zur Sache zu kommen: Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte er endlich. »Also …«
    »Trauen Sie mir das zu?«, unterbrach ihn Böhnke schnell.
    »Ja«, antwortete von Sybar. »Ich weiß, dass Sie kein junger und dynamischer Kriminalhauptkommissar sind, sondern ein Ruheständler. Grundler hat mich vorgewarnt, aber auch gesagt, dass Sie der einzige Mensch seien, dem ich rückhaltlos vertrauen könne.« Er lächelte gewinnend. »Um ehrlich zu sein, war ich ein wenig erschrocken, als ich Sie hier sitzen sah.«
    »Wen hatten Sie denn erwartet und womit hatten Sie gerechnet?«
    »Da ich nicht wusste, wer mich erwartet, habe ich mit nichts gerechnet. Aber als ich dann einen schätzungsweise 60-Jährigen mit kurzen grauen Haaren, in einer dicken Jacke und in Jeans auf einer Parkbank auf einem Friedhof vorgefunden habe, glaubte ich im ersten Moment, an den Falschen geraten zu sein. Aber Sie waren beziehungsweise sind genau so, wie Grundler Sie beschrieben hat.«
    »Okay. Das wäre also geklärt. Ein alter Mann soll Ihnen also helfen. Und wobei?«
    Das sei eine lange Geschichte, meinte von Sybar, was ihm prompt die Bemerkung von Böhnke einhandelte, man habe alle Zeit der Welt.
    »Folgendes. Ich werde nicht jünger und ich möchte mich endlich ganz auf mein Altenteil zurückziehen. Na ja, nicht ganz«, sagte er sinnierend. »Ich möchte gerne die wenigen Jahre, die ich noch vor mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher