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Printenprinz

Printenprinz

Titel: Printenprinz
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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vor Ort nach oben trieb, sondern langfristig noch mehr Menschen ins finanzielle Abseits.
    Das alles nur, weil Weinberg in seiner Geldgier seinem Auftraggeber einen Gefallen hatte erfüllen wollen. Aber noch war es nicht zu spät. Noch gab es wahrscheinlich nur zwei Menschen, die Bescheid wussten: er selbst und von Sybar. Wenn beide schwiegen und so täten, als sei nichts geschehen, wäre es gut. Nur wie konnte er sicher gehen, dass von Sybar schweigen würde? Nur, indem er auf Nummer sicher ging und von Sybar für alle Zeiten schwieg.

2.
    Rudolf-Günther Böhnke, vorzeitig in den Ruhestand geschickter Kriminalhauptkommissar und ehemaliger Leiter der Abteilung für Tötungsdelikte im Polizeipräsidium Aachen, wartete geduldig. Er hatte, wie er immer sagte, Zeit ohne Ende. Böhnke hatte es sich auf der Holzbank an seinem Lieblingsplatz auf dem Friedhof in Huppenbroich bequem gemacht. Sein Blick fiel auf die schmale Grünfläche zwischen zwei gepflegten Gräbern, die für ihn reserviert war. Dort, in diesem Fleckchen Erde, würde er seine letzte Ruhestätte finden; das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
    Wann? Das war die Frage, die er sich kurioserweise nicht mehr stellte, seitdem er wusste, dass seine irdischen Tage knapp wurden. Die unheimliche Krankheit, die ihn in den beruflichen Ruhestand getrieben hatte, würde irgendwann sein Leben abrupt beenden. Er wusste, wie es geschehen würde: Er würde einen Schwächeanfall erleiden, wie schon so oft, aber von diesem würde er sich nicht mehr erholen. Dann wäre es vorbei; vielleicht heute, vielleicht in ein paar Tagen, ein paar Monaten oder vielleicht erst in einem Jahr. Böhnke war dennoch zuversichtlich, was die ›Restlaufzeit‹ seines Daseins betraf, auch wenn er jederzeit mit dem Schlimmsten rechnen musste. Ein Jahr noch, mindestens, das wäre gut, sagte er sich, dann käme er in den Genuss einer Feier zu seinem 60. Geburtstag.
    Der pensionierte Kommissar schaute sich um. Er war allein auf dem Friedhof, was ihn nicht verwunderte. Wer trieb sich schon mittags freiwillig an einem kalten Tag im November mitten in der Woche auf einem Friedhof herum? Die Gräber waren winterfest gemacht, die Menschen würden an den stillen Feiertagen kommen, um bei ihren Toten zu sein. Die Buchen zwischen den Grabreihen hatten ihr Laub abgeworfen und machten den matten Sonnenstrahlen Raum, die durch eine dünne Wolkendecke brachen. Langsam wurde es ungemütlich auf den Höhen der Nordeifel. Hierhin kam der Winter früher und mit mehr Wucht als in Böhnkes ehemaligen Wohnort Aachen. Aber jener Wohnort war Schnee von gestern.
    Sein wandernder Blick fiel auf den schnurgeraden, mit Kies bedeckten Weg, den er bis zum Friedhofseingang einsehen konnte. Pünktlichkeit, die Höflichkeit der Armen und die Tugend der Könige, schien dem Mann fremd, der ihn auf dem Friedhof treffen wollte, dachte sich Böhnke. Sein Freund Tobias Grundler, Rechtsanwalt in Aachen, hatte das Treffen eingefädelt.
    »Es gibt ein Problem, das kannst nur du lösen«, hatte Grundler im Telefonat behauptet. »Für einen Juristen gibt es keinen Ansatz und für die Polizei keinen kriminellen Hintergrund. Es ist im Prinzip eine Privatangelegenheit, aber zu delikat, um damit einen mir nicht bekannten Privatdetektiv zu beauftragen. Da weiß man nie, ob der nicht doch Wissen an Dritte weitergibt, was mein Mandant auf keinen Fall will.«
    Böhnke hatte ablehnen wollen. Er wollte sich erholen. Sein Bedarf an Ermittlungstätigkeit oder am Herumschnüffeln in privaten Dingen war gedeckt. Erst vor wenigen Wochen hatten Grundler und er einen Fall geklärt, in dem private Mauscheleien, politische Kungeleien und verbrecherisches Handeln eng miteinander verknüpft waren. Da wollte er endlich einmal seine Ruhe haben.
    Doch Grundler hatte nicht lockergelassen. »Höre dir wenigstens einmal an, was mein Mandant dir zu sagen hat. Es ist auch von Vorteil für mich, wenn du mit ihm sprichst. Meine Mandanten sollen schließlich das Gefühl haben, dass ich mich nachhaltig um ihre Belange kümmere. Also, was ist?«
    Böhnke hatte knurrend eingewilligt. Wenn er seinem Freund einen Gefallen tun könne, solle der Mann halt zu ihm kommen.
    »Aber zu mir nach Huppenbroich«, hatte er als Bedingung ausgemacht. »Am Dienstag, um 14 Uhr auf dem Friedhof.«

    Der Besucher war fast 20 Minuten über der Zeit. Böhnke war überrascht, als ein alter Mann sich vom Eingang her näherte. Das musste Grundlers Mandant sein. Böhnke glaubte, den Mann zu
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