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PR TB 246 Expedition Ins Totenreich

PR TB 246 Expedition Ins Totenreich

Titel: PR TB 246 Expedition Ins Totenreich
Autoren: Perry Rhodan
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Anschein des Lebens bewahren - für die
anderen. Nur für die anderen, nicht für sich selbst. Können
Sie sich vorstellen, was das heißt? Können Sie sich das
vorstellen, frage ich?«
    Sayla Heralder sagte nichts. Sie sah dem bärtigen Mann ins
Gesicht, und die Verzweiflung, die aus seinen Augen sprach, brach ihr
fast das Herz. Wie lange kann ich das noch ertragen? dachte sie. Wie
lange kann ich noch hier in YANINSCHA bleiben, ohne den Verstand zu
verlieren? Ich will den Himmel sehen, den blauen Himmel der Erde, und
nicht den Himmel von YANINSCHA.
    »Ja«, stieß der Mann grimmig hervor, »ich
bin bereits gestorben. Und ich kann Ihnen meinen Todestag nennen. Es
war der 4. Januar 2689. Es geschah auf Plophos. In Zentral-City. Wenn
Sie die planetare Computerdatei danach fragen, dann wird sie Ihnen
antworten, daß dies mein Geburtstag war, aber die Computer
begreifen nichts von den wirklichen Dingen, die sich hinter bloßen
Äußerlichkeiten verbergen. Als ich geboren wurde, starb
ich. Und das ist jetzt sechzig Jahre her. Ich habe nie geatmet. Ich
habe nie gefühlt. Meine Augen sehen, aber die Bilder erreichen
mich nicht. Sie sind wie Schattenrisse. Sie besitzen kein Gewicht,
keine Bedeutung. Und wenn ich höre, dann höre ich nur ferne
Echos. Ich rede, doch meine Worte sind ohne Sinn. Ich bekomme
Antworten, und die Antworten sind hohl. Wort und Antwort - zwei
Zahnräder, die sich ineinander drehen, ohne etwas zu bewirken.
Ihre Bewegungen sind nur scheinbar.«
    Sayla griff nach dem Chronometer, das an einer Kette um ihren Hals
hing und wie eine Muschel aus durchsichtigem Achat aussah. Bei der
Berührung glommen grüne Ziffern in dem transparenten
Material auf. 20: 30 Bordzeit. Also befand sie sich erst eine halbe
Stunde auf dem Fest der Selbstmörder. Und dennoch hatte sie das
Gefühl, schon seit einer Ewigkeit durch die Ode zu wandern, von
Baum zu Baum, von einem lebensmüden Verrückten zum anderen.
Aber, dachte die Frau, auf dem Totenfest gewinnt die Zeit eine andere
Qualität. Der Unterschied zwischen Minuten und Tagen verwischt.
Es ist wie an Bord eines Schiffes, das sich fast mit
Lichtgeschwindigkeit bewegt. Dilatation. Doch wenn dort die Zeit
schrumpft - hier dehnt sie sich.
    »Sie warten?« fragte der Bärtige.
    »Wir alle warten«, entgegnete Sayla. Sie befeuchtete
ihre Lippen. Ihr Herz begann schneller zu schlagen.
    »Aber wohin wird das führen?«
    »Zum Ziel.«
    »Es gibt ein Ziel?« Die Stimme des Mannes klang jetzt
überrascht.
    »Nicht für jeden.«
    »Und für Sie?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Sayla.
    »Aber Sie warten.«
    »Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
    Der Mann verzog die Lippen. »Sie könnten schlafen«,
antwortete er. Sein Lächeln wurde breiter. Die Verzweiflung wich
aus seinem Gesicht, wie Tau, der unter den Strahlen der Sommersonne
verdunstet, und seine Gestalt straffte sich. Er wirkte jetzt jünger.
»Sie könnten schlafen«, wiederholte er.
    Sayla erwiderte sein Lächeln. »Ich schlafe bereits. Muß
ich erwachen?«
    Der Bärtige sah sich um. »Ja, aber nicht hier. Kennen
Sie einen Ort, wo man sich unterhalten kann? Einen stillen Ort?«
    »Kommen Sie«, sagte Sayla Heralder zu dem Kontaktmann.
Sie wandte sich ab und schritt die Böschung hinunter. Der
Kontaktmann folgte ihr. Oben am holografischen Himmel riß die
imaginäre Wolkendecke auf und enthüllte die wagenradgroße
Scheibe einer blutroten Sonne. In ihrem Licht verlor die Öde
ihre graue Farblosigkeit und nahm einen ungesunden Rostton an. Die
Krüppelbäume wirkten mit einemmal verwandelt; sie waren wie
Alraunenmännlein, die sich anschickten, im Schutz der nahenden
Nacht ihre hölzerne Reglosigkeit aufzugeben und auf knirschenden
Wurzelbeinen durch das Land zu wandern.
    Sayla schauderte.
    »Ich hoffe«, sagte sie über die Schulter hinweg
zu dem Kontaktmann, »Sie bekommen keine Schwierigkeiten. Wenn
sich jemand zum Selbstmord verpflichtet, sorgt die Stahlhand dafür,
daß er sein Versprechen auch einhält.«
    Der Kontaktmann winkte ab und schob sich an ihre Seite. »Machen
Sie sich keine Sorgen. Ich habe meine Vorkehrungen getroffen. Ich
werde tun, was getan werden muß. Obwohl - es war nicht meine
Idee. Dieses Fest, es ist abscheulich.«
    Die junge Frau warf ihm einen Seitenblick zu. Sie hatte sich nicht
geirrt; er wirkte tatsächlich jünger - jetzt, wo er
vorübergehend seine Rolle aufgegeben hatte. »Das Fest der
Selbstmörder findet alljährlich in YANINSCHA statt«,
erklärte sie. »Wer seines Lebens überdrüssig
ist,
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