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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht
Autoren: Oliver Plaschka
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Vorderseite der Träne klappte auf, und Anra'Thir'Nom stieg mit einem stummen Abschiedsgruß aus. Der andere Lotse schloss die Träne, aktivierte die Startsequenz und schwebte wieder davon.
    Der Körperfilm des Hohen Lotsen nahm Kontakt mit der Bordpositronik auf und wies ihm den Weg. Die Signale des Anzugs waren subtil und für Außenstehende nicht zu bemerken: ein leichtes Ziehen in die richtige Richtung, ein schwaches Kribbeln, wenn er die falsche einschlug, eine unmerkliche Einspielung auf seinen sonst unsichtbaren Kontaktlinsen, die jede Bewegung seiner Augäpfel registrierten und, wo möglich, in Befehle übertrugen. Es war eine alte Technologie, die vor langer Zeit für körperlich beeinträchtigte Raumfahrer entwickelt worden war und die Lotsen in ihrer spartanischen Perfektion fasziniert hatte. Also hatten sie sie an ihre Bedürfnisse angepasst und mit den Jahrhunderten verfeinert.
    Anra'Thir'Nom hatte ein besonderes Geschick im Umgang mit seinem Körperfilm entwickelt, und er besaß eine natürliche Begabung dafür, die Eindrücke, die er ihm übermittelte, mental zu verarbeiten. So war er immer darüber informiert, was in den Heiligtümern der Khe'Mha'Thir vor sich ging. Für die Akolythen des Ordens stellte sich diese Art der stummen Zwiesprache mit der Zentralpositronik von Tinios oft wie Zauberei dar. Zwar hätte man ähnliche Resultate auch mit Implantaten erzielen können, doch die Schutz spendende Schwärze, die den eigenen Körper umhüllte, als breitete ein großer schwarzer Vogel seine Schwingen über ihn, entsprach eher der Symbolwelt der Khe'Mha'Thir.
    Ohne auf die zahlreichen Roboter und das Personal in dieser äußeren Kugelschale des Schiffes zu achten, verließ Anra' Thir'Nom den Hangar und drang auf direktem Weg tiefer in die VAREK'ARK vor. Nach etwa hundert Metern stand er in einer kleineren Halle vor verschiedenen Liftsystemen, die durch die mittlere und größte Schale des Schiffes, welche das Transitionstriebwerk enthielt, in die innere Kugel führten, wo sich die Zentrale befand.
    Was Anra'Thir'Nom zu schätzen wusste, war der traditionsverbundene, klassische Aufbau des Schiffs, bei dem die Mannschaft vom zumeist leeren Raum der mächtigen Triebwerke umhüllt war. In deren weiten, von Strukturfeldkonvertern gespickten Hallen, nadelkissengleich, wurden die gewaltigen Energien entfesselt, die nötig waren, um das Schiff und seine lebende Fracht zu entstofflichen und gleichsam durch die Leere zu reißen.
    Was ihm dagegen missfiel, war, sich der selbstherrlichen Rudergängerin des Trosses wie durch die Beletage eines arkonidischen Palais nähern zu müssen, vom Treppenhaus über eine Abfolge mehr oder minder bedeutungsloser Vorzimmer bis hin zum Audienzgemach.
    Wahrscheinlich hatte sie intime Kenntnis solcher Räumlichkeiten. Für wie viele ehemalige Imperatoren hatte sie in ihrer Zeit als Kurtisane die Beine gespreizt? Drei? Vier? Und für wie viele ihrer Lakaien?
    Anra'Thir'Nom ignorierte die luxuriöse Röhrenbahn und betrat einen schlichten Antigravschacht, der von der komfortverwöhnten Besatzung offenbar gemieden wurde, denn er war fast allein darin. Ruhig, die Arme vor der Brust verschränkt, vertraute er sich der gerichteten Schwerkraft des Schachts an und schwebte in den Kern des Schiffs.
    In der Zentrale erwartete ihn die Rudergängerin, umgeben von ihrem Hofstaat. Genauso wirkte es auf Anra'Thir'Nom: Die alternde Kurtisane war in eine weiße Galauniform der Flotte gekleidet, die über und über mit widersprüchlichen Orden und Spangen gespickt war, deren militärische Bedeutung ihr zweifellos genauso gleichgültig war wie ihm. Wahrscheinlich waren es Zuwendungen ihrer Liebhaber, nicht mehr; einen Orden für jede Nacht der Wollust. Ihr Sitz war leicht erhöht, die langen Beine hatte sie übereinandergeschlagen, und die Hände mit den zahllosen goldenen Reifen lagen gebieterisch auf den Lehnen.
    Neben ihr stand ein ausgezehrt wirkender älterer Mann mit einem dümmlichen Lächeln, der auf jeden Wink ihres Fingers wie ein abgerichteter Bissat reagierte. Wahrscheinlich ihr momentaner Gespiele. Sein Haar hatte dieselbe weißgoldene Farbe wie ihres, konnte in Länge und Glanz jedoch nicht mit ihr mithalten. Hinter ihnen zog sich die Panoramaprojektion eines malerischen Wasserfalls halbkreisförmig durch die Zentrale. Es war deutlich wärmer, als es nötig gewesen wäre, und Anra'Thir'Nom glaubte sogar einen leichten Blumenduft und das Surren von Insekten wahrzunehmen.
    Als er vor sie
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