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PR NEO 0042 – Welt aus Seide

PR NEO 0042 – Welt aus Seide

Titel: PR NEO 0042 – Welt aus Seide
Autoren: Oliver Plaschka
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sich von Oktor und seinen Soldaten mit Paralysestrahlen niederschießen, so, wie sie es vereinbart hatten. Quetain Oktor war froh, dass Kor-Ach-Ett diesen Teil der Vereinbarung erfüllt hatte – ein Blutbad war das Letzte, was er an diesem Tag noch hätte gebrauchen können.
    Den Bodentruppen der 192. Grenzpatrouille war nicht anzusehen, ob sie sich über den leichten Sieg freuten oder es bedauerten, dass ihnen nicht mehr geboten wurde. Ohne einen Blick an die filigrane Architektur oder den prunkvollen Wandschmuck zu vergeuden, stapften die Roboter und Naats durch die Flure, bis sie auch den letzten Winkel des Palasts gesichert hatten.
    Quetain Oktor betrat den Thronsaal. Wie Kor-Ach-Ett es vorhergesagt hatte, war er verlassen. Die Sitze der acht Netzfürsten und die zahlreichen Balkone und Nischen waren unbesetzt, und die Maschinen am Boden der Halle schwiegen.
    Auf Vidaarms Thron saß nur noch ein Geflecht aus Spinnenseide wie ein aufgegebener Kokon oder eine alte Haut. In ihr steckte nach wie vor das Zepter. Die Gebeine und Gewänder des Erzfürsten hatten die Trebolaner entfernt, um sie an einem geheimen Ort zu verwahren, welche Riten auch immer sie damit im Sinn hatten.
    Im Nachhinein musste Quetain Oktor fast darüber schmunzeln, so lange von einem Marionettentheater zum Narren gehalten worden zu sein. All die Jahre hatte er geglaubt, mit einem uralten, exzentrischen Herrscher zu verhandeln, der zu arrogant oder schon zu senil war, auf seine Fragen eine klare Antwort zu geben. Stattdessen hatten die Netzfürsten ihm Märchen in seinem Namen erzählt – was immer ihnen gerade nützlich erschien.
    Kor-Ach-Ett würde es nicht so leicht haben wie Vidaarm, wenn er nun wirklich nach der Macht griff – denn er war nicht mit dem Glanz der Goldenen gesegnet. Seine Entscheidungen würden infrage gestellt werden, man würde ihn kritisieren und Druck auf ihn ausüben, und der nächste Fürsorger, wenn es denn einen gab, würde ihm das Leben schwer machen. Quetain Oktor hätte beiden eine Menge darüber erzählen können, wie es war, die Last der Verantwortung zu tragen, doch das alles ging ihn nicht länger etwas an.
    »Der Herrscher ist geflohen!«, stellte Oktor mit geheucheltem Triumph fest. Dann erklomm er lustlos die Stufen zum Thron, griff in die zähen Spinnweben nach dem Zepter. »Ich brauche ein Messer«, sagte er und streckte die andere Hand aus.
    Der Naat, der die Bodentruppen anführte, reagierte prompt und reichte ihm sein Kampfmesser, das für Oktor selbst als Schwert noch zu unhandlich gewesen wäre. Ächzend mühte er sich mit den sanftseidenen Gespinsten ab – er glaubte, auch etwas klebrige Haftseide darin zu identifizieren –, bis er das Zepter Vidaarms endlich in Händen hielt. Langsam, sodass alle im Thronsaal es sahen und die Drohnen, die sie begleiteten, es optisch gut einfangen konnten, drehte er sich um und hielt es hoch.
    »Vidaarm hat vor der Übermacht des Großen Imperiums kapituliert!«
    Sollten sie doch glauben, Vidaarm wäre noch am Leben. Vielleicht würde ja ein neuer Kult schon bald Legenden über seine nahende Wiederkehr verbreiten. Von nun an durften andere die Politik Trebolas entwirren.
    Quetain Oktor gab dem Naat sein Messer zurück. Dann machte er sich daran, die verschiedenen trebolanischen Ausscheidungen um das Zepter herum zu entfernen, Tarnseide, Schmeichelseide, eine Schicht nach der anderen. Er kam sich vor wie ein Küchenjunge.
    Was blieb, war eine dünne Hülle aus Schmuckseide, ansehnlicher und wahrscheinlich auch älter als die äußeren Schichten. Auf groteske Weise wirkte das Zepter nun wie ein Stopfei in einem goldenen Söckchen. Es hatte so gut wie kein Gewicht.
    »Bring dies zu Sergh da Teffron!«, sagte Quetain Oktor feierlich und reichte es dem Naat, der es vorsichtig in seine riesigen Pranken nahm und einen Moment ratlos mit seinen drei blutroten Augen betrachtete.
    »Na los!«, rief Oktor. »Die Hand des Regenten wartet nicht gerne!«
    Der Naat salutierte erschrocken und hastete aus dem Thronsaal.
    Quetain Oktor wartete ein paar Momente, bis die allgemeine Aufmerksamkeit sich wieder auf andere Dinge gerichtet hatte, dann folgte er ihm. Mit einem letzten Blick zurück auf den leeren Thron verließ er den Saal. Ob irgendwann ein neuer Vidaarm darauf Platz nehmen würde? Alte Gewohnheiten waren schwer totzukriegen ...
    Auf dem Weg zurück zu seinem Turm stellte er sich das Gesicht Sergh da Teffrons vor, wenn er das Zepter im Artekh-System erhielt. Sein Zorn
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