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PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

Titel: PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel
Autoren: Frank Borsch
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Taschenlampe blendete ihn, aber er wusste, dass Nyssgaru seine verfärbten Zähne entblößt hatte und ihn wie ein Stück Vieh musterte, das zum Verkauf stand. »Wie du willst. Verschwende nur deine Kräfte, dann bist du umso zahmer, wenn wir auf der anderen Seite sind.«
    Die linke Hand des Jungen ruckte vor und machte unmittelbar vor der Bauchplatte des Erwachsenen halt. Seine Finger klammerten sich so fest um den Griff des Messers, dass sie schmerzten. Inahin hatte es im vorigen Sommer heimlich aus dem verlorenen Stahlteil eines Traktors gefertigt und seinem Bruder geschenkt. Die glatte Klinge war eigentlich dazu gedacht, die ledrige Haut der Kröten zu durchtrennen, die den Nimvuanern die schützenden Höhlen streitig machten, doch sie würde den alten Scharfauge aufschlitzen wie einen Wassersack. Takegath wollte sich nicht mehr herumstoßen lassen, weder von Scharfauge, noch von irgendeinem Pächter, der ihn auf der Südseite erwartete, noch von sonst irgendwem, das hatte er sich geschworen. Aber noch war sein Augenblick nicht gekommen.
    Scharfauge beendete die Inspektion und trat in die Mitte des Kreises. Erneut blitzte die Taschenlampe auf; ihr Lichtstrahl wies der Gruppe der Kinder den Weg, den Lauf des Flusses hinauf, der bereits jetzt, zu Beginn des Sommers, nur noch ein Rinnsaal war und in Kürze völlig versiegen würde.
    Der Zug der Pachtlinge hatte begonnen.
    Es war ein mühsamer Marsch. Der Pfad maß kaum zwei Handbreit und war von Geröll übersät. Immer wieder hatten ihn Erdrutsche verschüttet. Die Kinder mussten diese Stellen mühsam umklettern, immer in Angst, dass die Stein- und Geröllmassen ein weiteres Mal in Bewegung gerieten.
    Takegath und Inahin blieben am Ende der Gruppe, so weit wie möglich von Nyssgaru entfernt. Inahin bewältigte den Marsch nur keuchend, er war, obwohl zwei Jahre älter, kleiner und schwächer als der Bruder. Take-gath entging nicht, dass Scharfauge immer wieder Blicke in Richtung seines Bruders warf. Der Pachtführer betrachtete Inahin als einen der schwächsten der Gruppe; seine Sorge - nicht um den Jungen, sondern um den Pachtzins, den er für ihn erhalten würde - war ihm deutlich von den wächsernen Zügen abzulesen.
    Takegath wusste, dass er sich unnötig sorgte. Inahin wollte leben. Wie Takegath und die übrigen Kinder, die sich dem Marsch angeschlossen hatten, wollte er aus der Falle entkommen, die ein unbarmherziges Wüstenklima und eine zu hohe Geburtenrate ihnen gestellt hatten, ein Auskommen jenseits des Massivs finden - dort, wo die Nimvuaner in unermesslichem Wohlstand in ihren weitläufigen Häusern lebten, umgeben von fruchtbaren Wiesen, endlosen Wäldern und unzähligen Flüssen und Bächen.
    Takegath hatte den Luxus letzten Sommer mit eigenen Augen gesehen, als einer der Diener das Tor zum Wohnbereich seines Pächters einen Spalt offen stehen gelassen hatte. Der Junge hatte einen verstohlenen Blick gewagt - und einen Badeteich gesehen, gefüllt mit kristallklarem Wasser und so groß, dass mehrere Hand voll Nimvuaner bequem darin Platz fanden. Takegath hatte den anderen Pachtlingen auf dem Gut davon erzählt, aber sie hatten ihm nicht geglaubt. Die Geschichte war einfach zu phantastisch, um wahr zu sein.
    Als Nydirn aufging, hatte die Gruppe das obere Ende der Schlucht erreicht. Ihre Heimat war außer Sicht, verschwunden hinter zahllosen felsigen Windungen. Einige der Kinder, die den Marsch zum ersten Mal mitmachten, weinten leise, die Gesichter abgewandt, damit keiner der anderen ihre Schwäche mitbekam.
    Nyssgaru befahl der Gruppe, sich im Schatten einer überhängenden Felswand auszuruhen. Die Kinder holten ihre Vorräte heraus. Die meisten waren bestens ausgestattet, mit Brotlappen, getrockneten Früchten und sogar Bratenstücken - Abschiedsgaben ihrer Familien, die versuchten, das schlechte Gewissen zu beruhigen. Manche hatten sogar Wassersäcke aus unzerreißbarer Folie oder kleine Spielzeugfiguren aus Plastik erhalten. Einer der Erstlinge zog eine Uhr aus der Tasche und zeigte sie stolz den Übrigen. In ihr waren einige einfache Spiele programmiert, die man mit kleinen Knöpfen an der Seite steuerte.
    Takegath verfolgte das Geschehen mit offenem Mund. Wie konnte man nur so naiv sein?
    Scharfauge drängte sich zwischen die Kinder und nahm die Uhr an sich. Als der Junge sich wehrte, schlug er ihn mit dem Stock, bis er blutend in sich zusammensackte.
    Takegath wusste, dass es nur der Anfang war. Nyssgaru würde den Kindern nach und nach alles
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