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PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

Titel: PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel
Autoren: Frank Borsch
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Armutsregionen des Planeten begegneten der Schlangengrube der Hauptstadt, vor der sie Verwandte und Dorfvorsteher eindringlich gewarnt hatten, mit tiefem Misstrauen. Das war schon so gewesen, als sie noch auf der Suche nach einem besseren Leben nach Vircho geströmt waren, und war so geblieben, auch wenn sie jetzt in der Hauptstadt nur noch das Sprungbrett zum Raumhafen sahen. Die Leute mussten erst ankommen, die Erfahrung machen, dass sie ohne fremde - kompetente! - Hilfe in ihrer neuen Umgebung nicht weiter kamen, um zugänglich zu werden. Ging man sie zu früh an, reagierten sie mit reflexhafter Abwehr.
    Der Hadur spülte den letzten Schluck Tee über die Zunge, setzte das Gefäß ab und erhob sich. Er strich über seinen dünnen Leinenanzug, vergewisserte sich, dass sich keine Flecken auf die bunten Stoffflicken ge-schlichen hatten, und ging zur Treppe. Tikil kletterte auf seinen kurzen Tippelbeinchen in Masquins Kapuze, seinen Lieblingsplatz. Von dort, warm und weich umschlossen, nahm er die Welt wahr. Mit seinem Gesichtssinn - den Masquin ihm zuschrieb, obwohl er in all den Jahren nirgends an dem Symbionten hatte Augen finden können - und vor allem seinem Geruchssinn. Die Vorderpartie von Tikils Echsenschädel wurde von einem Riechorgan bestimmt, das die schmale Linie seines Mauls bis an das Kinn hinunter schob.
    Einige der übrigen Hadur winkten Masquin mit überkreuzten Fingern zu
    - »Möge dein Weg und der des Glücks sich kreuzen!«. Es waren nur eine, zwei Hand voll von Masquins Standesgenossen, die sich in den Antigrav-polstern der Lounge zurücklehnten. Die Hadur hatten - wie alle übrigen Bewohner Tefrods - in den vergangenen Tagen ihre eigenen Wetten abschließen müssen. Zur Disposition stand das Schicksal des Planeten. Würden die Kastun-Raumer, die Tefrod belagerten, wieder abziehen? Oder den Planeten mit einem einzigen Feuerstoß ihrer Intervallkanonen vernichten? Masquin hatte wie die verbliebenen Hadur auf Vernunft gesetzt. Was hätten die Invasoren mit der Vernichtung der tefrodischen Hauptwelt gewonnen? Die Flotte Tefrods hatten sie längst geschlagen, der Planet gehörte faktisch ihnen.
    Wer nicht an die Vernunft glaubte oder schwächere Nerven hatte, drängte sich wie die verzweifelten Menschen unter Masquin in Abflughallen und Terminals, in der Hoffnung, sich einen Platz auf einem Flüchtlingsschiff zu sichern.
    Am Fuß der Treppe, die in die Halle von Voteney-Nord führte, warteten zwei von den Hadur bezahlte Wächter. Die beiden in martialisch anmutende Körperpanzer gehüllten Frauen wünschten ihm im Gleichklang »Reiche Beute!«. Im Feldschirm, der die Lounge der Hadur sicherte, entstand eine Strukturlücke.
    Masquin trat hindurch.
    Vor dem Hadur, der keine einssechzig maß, tat sich eine Wand aus Leibern auf - eine scheinbar undurchdringliche Barriere, in der sich innerhalb weniger Augenblicke ein Durchgang öffnete. Informationen, wenn auch meist in der Form von Gerüchten oder Halbwahrheiten, verbreiteten sich rasend schnell unter den Flüchtlingen. Masquin konnte nur ahnen, welche Behauptungen über ihn und seinesgleichen kursierten, aber allein die Tatsache, dass die Hadur Voteney-Nord nach Belieben betreten und wieder verlassen konnten, machte sie zu Personen von immenser Bedeutung.
    Und der kleine Masquin ragte in noch einer Hinsicht heraus: Er trug keine Maske.
    Kaum einer der Flüchtlinge verzichtete auf sie. Meist handelte es sich um grobe Gebilde, Wegwerfartikel drittrangiger Industriewelten, die in milliardenfacher Ausführung nach Tefrod strömten. Geströmt waren, verbesserte sich Masquin in Gedanken. Seit Wochen haben die Kastuns kein Schiff mehr durchgelassen. Hässliche schwarze Flecken breiteten sich an den Mund- und Nasenpartien vieler Masken aus, untrügliche Zeichen dafür, dass das Absorptionsvermögen ihrer biologischen Filter erschöpft war. Wer keiner Maske hatte habhaft werden können, hatte sich Tücher vor Mund und Nase gebunden. Mit geringem Erfolg: Die Unglücklichen, Opfer ihres ausgeprägten Geruchssinns, waren aschfahl und wirkten, als müssten sie sich jeden Augenblick übergeben. Viele hatten es bereits getan und damit unfreiwillig dazu beigetragen, den Gestank in der Halle um eine weitere Nuance anzureichern.
    Masquin hingegen ...
    Masquin genoss die respektvollen Blicke. Aus seinen Nasenlöchern schimmerte kein verräterisches Flimmern energetischer Geruchsfilter. Der Hadur setzte sich dem Gestank des tausendfachen Schweißes, der Angst, des Urins,
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