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PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock

PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock

Titel: PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock
Autoren: Hubert Haensel
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damit immer weiter in den illegalen Bereich hinein entwickelt, ignoriere ich. Was soll ich sonst tun? Ihn töten? Das könnte ich nicht. Ich erschaffe Leben, ich nehme es nicht.
    Momentan ist mir ohnehin wichtiger, wo Okta steckt. Wenigstens liegt die kleine Tarantel nicht verbrannt am Boden.
    »Trivid!« Kreischend schlägt Irp mit den Schwingen wie ein wild gewordener Schwan und bockt schon wieder mit dem Unterleib.
    Irpan da Konerant wollte das gendesignte Drachenei vor dem Aufbrechen der Schale seiner Favoritin als Morgengabe überreichen. Ich denke, jene Arkonidin hätte ihre helle Freude an diesem besonderen Geschenk gehabt. Überrascht registriere ich den Anflug von Ironie in meinen Gedanken.
    Geräuschvoll flattert Irp auf. In seinem Blick liegt ein Ausdruck, den Irpan wohl genau so haben wollte. Mir gefällt er nicht. Aber das könnte mich nicht daran hindern, perfekt alle Wünsche erfüllt als Zusatz auf die Rechnung zu schreiben.
    Wovon soll ich als Gendesignerin in diesem verdammten Miniaturuniversum auf Dauer eigentlich leben? Hier gibt es niemanden, der mir neue Auftragsarbeiten erteilt.
     
    *
     
    Ich schrecke aus meinen Überlegungen auf. Irp lässt sich auf meiner Schulter nieder. Immerhin gibt er sich spürbar Mühe, die Klauen nicht zu fest durch meine Kleidung zu drücken.
    Halb aus dem Augenwinkel sehe ich seine Grimasse, ein verzerrtes Lachen. Irp spitzt die vollen Lippen, und was nun kommt, kenne ich zur Genüge. In letzter Sekunde bekomme ich die Hand in die Höhe, und Irps Versuch, mich zu küssen, endet mit seinem schrillen Protest: »Du magst mich nicht, Mutter.«
    Was soll ich dazu sagen?
    »Ich bin dein Kind«, zetert er. »Du behandelst mich herzlos.«
    Wenn er wenigstens den üblichen vorspringenden Drachenschädel hätte. Ein schneller Griff ... fest zugehalten ... Aber dieses Merkmal musste ich zugunsten der arkonidischen Physiognomie eliminieren. Kundenwunsch hat Priorität.
    Anfangs war ich Drachenzüchterin. Weil es mir diese fast unterarmlangen Geschöpfe aus der Südseite der Milchstraße angetan haben, seit ich zum ersten Mal eines sah. Die kleine Zucht war mein erster Schritt zur Gendesignerin – und seit rund fünfundzwanzig Jahren erschaffe ich nun immer mehr Mischwesen aus dem schier endlosen Genpool, den die Milchstraße bereithält. Ich leite gezielte Veränderungen ein, sobald ich für den besonderen Zweck eine Lizenz erhalten habe. Um bei Malcolms Worten zu bleiben: Ich würfle. Das heißt, ich kenne nur in den einfachen Fällen das Ergebnis meiner Manipulationen im Voraus.
    Irp reibt die Nase an meiner abwehrend gespreizten Hand. Er schnauft hastiger, als wolle er Feuer speien.
    Bei ihm wusste ich bislang am wenigsten, was geschehen würde. Von achtzehn heranreifenden Dracheneiern musste ich elf in verschiedenen Entwicklungsstadien stoppen. Sechs Embryonen starben. Aber eigentlich hatte ich mit einer deutlich schlechteren Quote gerechnet, also zwangsläufig mit weiteren Versuchen.
    Irp ist das, was ich als Patchwork-Leben bezeichne. Vor allem trägt er keine amtliche Kontrollnummer, die seine Einmaligkeit oder die Zugehörigkeit zu einer Kleinserie bescheinigt. Und er wird diese Zulassung niemals im Nachhinein erhalten.
    Ist er intelligent?
    Nein ... nein ... Wieso auch? Zumindest rede ich mir das ein. Sicher bin ich mir dessen leider nicht mehr.
    Irp ist triebgesteuert. Genau so, wie der Arkonide das haben wollte. Die integrierten Abschnitte des Bonobo-Genoms waren weder zu lang noch zu kurz. Auf das Bonobo-Erbe führe ich auch seinen ausgeprägten Instinkt zurück, ebenso die Fähigkeit perfekten Nachahmens. Letzteres korrespondiert zudem mit der aus Papageien-Eiern isolierten DNS.
    Aufschreiend ziehe ich die Hand zurück. Der jähe brennende Schmerz hinterlässt eine deutliche Brandblase auf der Handfläche.
    »Was habe ich dir ausdrücklich verboten?«, herrsche ich Irp an.
    Treuherzig legt er den Kopf schräg. Das machen die kleinen Southside-Drachen nie, das erinnert an den irdischen Papagei.
    »Trivid nicht ohne meine Zustimmung einschalten«, plappert Irp drauflos.
    »Nicht ohne meine Zustimmung!«, korrigiere ich ihn.
    »Sage ich doch.« Irp blinzelt. Das sind diese Momente, in denen ich fürchte, dass er weit intelligenter ist, als ich ohnehin schon argwöhne. Wahrscheinlich habe ich das Bonobo-Erbgut unterschätzt.
    »Mutter ...?«, fragt er zögernd.
    Ich schweige. Seit Irp vor drei Monaten geschlüpft ist, erscheint mir alles anders. Abgesehen von einem
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