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PR 2671 – Das Weltenschiff

PR 2671 – Das Weltenschiff

Titel: PR 2671 – Das Weltenschiff
Autoren: Christian Montillon
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Vielleicht sammelte der Roboter seine Kapazitäten für einen weiteren Versuch.
    Bislang hatte Eroin Blitzer den toten Nikomus Neuntau mit keinem Wort erwähnt, seit sie seine Leiche zurückgelassen hatten. Saedelaere respektierte das Schweigen seines Begleiters, fragte sich aber doch, was in dem Kleinen vorging. Blitzer hatte sich sehr betroffen und unsicher im Umgang mit dem anderen Zwergandroiden gezeigt; nie zuvor hatte er einen bis zur Hinfälligkeit Gealterten und Sterbenden seiner Art gesehen. Neuntaus Tod musste ihn schwer getroffen haben.
     
    *
     
    Es kam Eroin Blitzer gelegen, dass Alraska schwieg. Entsetzlicher Schmerz ging von seiner Schulterwunde aus. Die Verletzung heilte nur schlecht und sehr langsam. Höchst ungewöhnlich. Es hatte ihn härter getroffen als zunächst vermutet. Hin und wieder fühlte er ein taubes Kribbeln bis in die Fingerspitzen.
    Vielleicht hing es damit zusammen, dass er seinen Körper nicht mehr wie gewohnt unter perfekter Kontrolle zu halten vermochte.
    Ein Zwergandroide beherrschte seinen Leib mit seinem Willen aufgrund der ihm erteilten Aufgaben, um sie perfekt erfüllen zu können.
    So war es bislang stets gewesen, daran hatte Blitzer geglaubt, weil die Erfahrung es ihn lehrte. Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass es irgendwann anders kommen könnte.
    Und doch war es so.
    Blitzer vermutete, dass auch Nikomus Neuntaus Zerfall letztendlich darin wurzelte. Neuntau war allein gewesen, ausgesetzt für Ewigkeiten, getrennt von denen, die ihn ... erschaffen hatten. Er hatte keinen Zweck mehr erfüllt, war in Bedeutungslosigkeit versunken.
    Die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf war zerbrochen. Ob das Neuntaus inneren Zusammenhalt aufgelöst hatte? Wie jeder Zwergandroide war Neuntau dem Dienst an den Herren, an der universellen Wahrheit des Kosmos verpflichtet gewesen. Deswegen hatte er gelebt – und war dem Tod entgegengeschlittert, als es diesen innersten Lebenszweck nicht mehr gab, als er für die Kosmokraten und die Prinzipien der Ordnung wertlos geworden war.
    Blitzer fragte sich, ob er bereits dieselben Anzeichen zeigte.
    Der Gedanke erschreckte ihn.
    Vielleicht bildete er sich das alles auch nur ein.
    Vielleicht verlor er sich in kosmisch-philosophischen Fragen, die nichts damit zu tun hatten, was Neuntau widerfahren war.
    Vielleicht täuschte er sich.
    Vielleicht.
    Schließlich war er nicht dazu geschaffen worden, über solche Zusammenhänge nachzudenken.
    Die einzig denkbare Alternative klang ohnehin viel besser: Nikomus Neuntau war alt gewesen, sehr alt, und ihm hatten nicht die Möglichkeiten einer kobaltblauen Walze zur Verfügung gestanden, wie es sonst üblich war im Dasein eines Zwergandroiden. Sein Zerfall war also ein völlig normaler Vorgang, der – wenn er ihn auf sich beziehen wollte – weit, unendlich weit in Blitzers Zukunft lag.
    Dennoch gefiel es ihm nicht.
    Denn auch er war von seinen Auftraggebern getrennt. Eroin Blitzer hatte sich auf Abwege begeben, war schon lange mit Alraska unterwegs. Was aus der LEUCHTKRAFT geworden war, wusste er nicht.
    Sein einziger Trost lag darin, dass er den Willen seiner Herrin Samburi Yura erfüllte. Zumindest hoffte er das. Einst hatte sie ihn beiseitegenommen und ihm gesagt, dass er etwas Besonderes sei. Sie musste gewusst haben, dass etwas Außergewöhnliches auf ihn wartete; sie hatte ihn darauf vorbereitet.
    »Alraska«, sagte der Zwergandroide. »Habe ich versagt?«
    »Wieso solltest du?«
    »Ich befinde mich nicht mehr auf der LEUCHTKRAFT. Ich diene nicht mehr der Frau Samburi. Nichts ist so, wie es mir vorbestimmt war.« Genau das befürchtete er, wenn er sich auch das Gegenteil mit aller Gewalt einredete.
    »Es ist so, weil du dich erhoben hast«, sagte sein terranischer Begleiter.
    »Was meinst du damit?«
    »Stell dir eine völlig andere Frage – gibt es tatsächlich Vorbestimmung für das Leben eines Zwergandroiden?«
    Blitzer schwieg. Was sollte er darauf sagen? Gab es überhaupt ein Leben für ihn, oder existierte er nur? Er fühlte, wie ihm der Boden unter den Füßen entgleiten wollte, und das nicht wegen seiner körperlichen Schwäche.
    Und wenn er tatsächlich lebte – was bedeutete der Tod für ihn? Spielte es eine Rolle für irgendjemanden, ob er lebte oder starb? Ob mit oder ohne ihn, der Kosmos würde sich weiterentwickeln. Hohe, bedeutende Wesen wie Samburi Yura konnten sich neue Diener erschaffen oder aus dem unendlichen Fundus an Individuen erwählen.
    Sogar für einen Roboter
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