Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR 2671 – Das Weltenschiff

PR 2671 – Das Weltenschiff

Titel: PR 2671 – Das Weltenschiff
Autoren: Christian Montillon
Vom Netzwerk:
gewusst, welche Katastrophe Sholoubwa quasi im Vorübergehen anzettelte, wahrscheinlich, ohne es auch nur zu merken – doch nun hatte er es verstanden. Er fühlte die Konsequenzen für die Bewohner dieser Welt, für ein junges, unschuldiges Volk.
    Die Erkenntnis war vom Kopf in sein Herz gerutscht ... eine Strecke, die kaum zwei Handspannen in Anspruch nahm, die aber weiter sein konnte als die Millionen Lichtjahre, die ferne Galaxien voneinander trennten.
    Saedelaere fand keine Antworten auf die Fragen, die ihn umtrieben. Seine Gefühle verwirrten ihn.
    »Alraska?«
    Der Maskenträger zuckte zusammen; einen Augenblick hatte er geglaubt, Julisch hätte ihn angesprochen. »Was ...«
    »Du trägst Wut in dir.«
    Instinktiv wollte er widersprechen, abwiegeln – aber er entschied sich dagegen.
    Mit einem Mal wurde ihm geradezu schmerzhaft klar, wie nahe ihm der Kleine inzwischen stand. Er war zu dem geworden, was Alaska nur selten zuließ: ein Gefährte. Ein Freund. Der einzige, den er seit Jahren an seiner Seite wusste und damit auch der einzige, den er um Rat fragen konnte. »Kennst du dieses Gefühl auch?«
    Blitzers Gesicht blieb ausdruckslos. »Wut? Sie ist nicht Bestandteil meiner ... Erschaffung.«
    »Aber du bist mehr als das, was du einst warst. Du hast dich weiterentwickelt, bist nicht mehr nur ein Zwergandroide wie alle anderen Zwergandroiden.«
    »Und wenn ich sie kenne, die Wut? Was würde es ändern? Wäre das ... gut, Alraska? Habe ich in diesem Fall etwas gelernt, was erstrebenswert war? Oder bin ich einen Schritt gegangen, der meiner Herrin nicht gefallen würde? Gehe ich auf dem Weg, der aus der Ordnung heraus- und ins Chaos hineinführt?«
    Der Terraner dachte nach. »Nein«, sagte er schließlich. »Du bist auf dem Weg, mehr zu werden als das, was deine Schöpfer dir zugestehen wollten. Ich kann daran nichts Schlechtes finden.«
    »Bist du dir sicher?«
    Alaska Saedelaere schwieg.
    »Aber«, sagte Eroin Blitzer schließlich, »wenn du es sagst, wird es wohl so sein.«
    »Wieso glaubst du mir?«
    »Weil du über etwas sprichst, was du selbst erlebt hast.«
    »Was meinst du damit?«
    »Auch du bist mehr, als ein Mensch es für gewöhnlich ist.«
    Saedelaere schwieg, setzte weiterhin verbissen einen Fuß vor den anderen und dachte nach. Stimmte das tatsächlich? War er mehr geworden als ein Mensch? Und wenn ja, warum? Weil ihn etwas von außen her ergänzte? Spielte sein Begleiter auf das Cappinfragment und den Escaran an? Oder zählte Alaska Saedelaere selbst etwas? Der Mensch, der einst von seiner Mutter geboren worden war?
    »Eroin?«
    »Ja?«
    »Wenn wir so viel über den Kosmos wissen wie du und ich – über seine Entwicklung, seine Struktur und die Mächte, die ihn bestimmen und beherrschen ...« Er brach ab.
    »Worauf willst du hinaus, Alraska?«
    »Kann ein einzelnes Wesen überhaupt noch etwas wert sein? Oder verliert es sich in all den Verwicklungen? Ist das, was wir tun, letztendlich völlig sinnlos?«
    »Aber selbstverständlich ist jeder Einzelne von Wert!«
    »Warum?«
    »Weil sonst alles seinen Sinn verlöre.«
    Der Maskenträger blieb stehen. »Das ist keine logische Antwort. Es wundert mich, dass ausgerechnet du sie gibst.«
    »Dennoch ist sie korrekt. Die Wahrheit liegt in dieser Hinsicht jenseits der Logik.«
    »Eine erstaunliche Aussage für einen Zwergandroiden.«
    Blitzer zeigte ein Lächeln; wohl nur eine Imitation menschlicher Mimik. »Findest du?«
    Ehe Saedelaere noch etwas darauf erwidern konnte, drehte sich Eroin Blitzer zur Seite, streckte die kleinen Beine bis zum Boden und erhob sich. »Ich kann wieder selbst gehen, Alraska. Wenigstens ein Stück.«
    »Soll ich die Trage zurücklassen?«
    »Nimm sie mit. Bis zur Kuppel werden meine Kräfte wohl nicht reichen.«
    Schweigend marschierten sie nebeneinanderher, während die plötzlichen Windböen, denen Phasen stehender Luft folgten, an Häufigkeit zunahmen. Vereinzelt fielen Regentropfen. Sie fühlten sich auf der Haut erstaunlich warm an, und sie rochen erdig wie von durchfeuchtetem Moos durchsetzt.
    Obwohl Saedelaere ein langsames Tempo anschlug, ging Blitzer, dessen Schrittweite merklich geringer war, offenbar an die Grenzen dessen, was sein geschwächter Zustand zuließ.
    Seit ihrer Versetzung aus Sholoubwas Positronikwald zogen keine weiteren Frequenz- und Realitätsverschiebungen mehr über diese Welt. Offenbar ruhten die Bemühungen des Konstrukteurs, den Freien Raum zu erschaffen, was immer er damit auch bezeichnete.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher