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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji
Autoren: Robert Harris
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Hausverwalter Scutarius, ein paar Geschäftsfreunden (die ihm aus Pompeji gefolgt und seit Tagesanbruch in der Hoffnung auf ein Mahl geblieben waren) und einer Schar von fast hundert seiner anderen männlichen Sklaven, für die das Beobachten des Spektakels seiner Meinung nach eine heilsame Lehre sein würde. Seiner Frau und seiner Tochter hatte er befohlen, im Haus zu bleiben; das war kein Anblick für Frauen. Ein großer Stuhl wurde für ihn hingestellt und kleinere für seine Gäste. Er wusste nicht einmal den Namen des Missetäters. Der Mann gehörte zu einer ganzen Schar von Sklaven, die Ampliatus zusammen mit den Fischbecken übernommen hatte, als er, früher im Jahr, die Villa für eine knappe Million gekauft hatte.
    Alle möglichen Arten von Fischen wurden – mit gewaltigem Kostenaufwand – an der Küste vor der Villa gehalten: Sägebarsche mit ihrem wollweißen Fleisch; Meeräschen, deren Becken hohe Wände haben mussten, damit sie nicht in die Freiheit sprangen; Plattfische und Seepapageien und Goldbrassen, Neunaugen und Meeraale und Seehechte.
    Aber die bei weitem kostbarsten von Ampliatus' Wasserschätzen – er zitterte schon bei dem Gedanken, wie viel er für sie bezahlt hatte, und dabei mochte er nicht einmal Fisch – waren die delikaten Meerbarben, notorisch schwer zu halten, in Farben von Blassrosa bis Orange. Und genau die hatte der Sklave umgebracht – ob aus Bosheit oder Unfähigkeit, das wusste Ampliatus nicht, und es kümmerte ihn auch nicht, denn ihr Anblick war schrecklich gewesen: Im Tod dicht zusammengedrängt, wie sie es im Leben gewesen waren, ein vielfarbiger Teppich auf der Oberfläche des Beckens, hatte man sie früher am Nachmittag entdeckt. Ein paar hatten noch gelebt, als Ampliatus der Schauplatz gezeigt wurde, aber sie waren gestorben, noch während er sie betrachtete, drehten sich in den Tiefen des Beckens wie Blätter, trieben nach oben und schaukelten neben den anderen tot im Wasser. Vergiftet, alle miteinander. Zum gegenwärtigen Marktpreis hätten sie sechstausend pro Stück gebracht – eine Meerbarbe war fünfmal so viel wert wie der elende Sklave, der für sie zu sorgen hatte –, und jetzt konnte man sie nur noch verbrennen. Ampliatus hatte das Urteil selbst gesprochen: »Werft ihn den Muränen vor!«
    Der Sklave schrie, als sie ihn zum Beckenrand zerrten und stießen. Es sei nicht seine Schuld, schrie er. Es sei nicht das Futter. Es sei das Wasser. Sie sollten den Aquarius holen.
    Den Aquarius!
    Ampliatus kniff die Augen zusammen, um sie vor dem Gleißen des Wassers zu schützen. Es war schwierig, die Gestalten des sich heftig wehrenden Sklaven und der beiden Männer auszumachen, die ihn festhielten; wie auch der vierte, der einen Bootshaken wie eine Lanze hielt und ihn dem zum Tode Verurteilten in den Rücken stieß, waren sie kaum mehr als undeutliche Schemen im Hitzedunst und im Funkeln des Wassers. Ampliatus hob in der Art der Kaiser den Arm, mit geballter Faust und waagerecht ausgestrecktem Daumen. Er kam sich gottähnlich vor in seiner Macht, doch er empfand auch simple menschliche Neugierde. Einen Augenblick lang wartete er und genoss das Gefühl, dann drehte er abrupt das Handgelenk und reckte den Daumen erdwärts. Hinein mit ihm!
    Die verzweifelten Schreie des Sklaven, der an den Rand des Fischbeckens getrieben wurde, hallten von der Küste über die Terrassen, über das Schwimmbecken und in das stille Haus, in dem sich die beiden Frauen versteckt hatten.
    Corelia Ampliata war in ihr Schlafzimmer gelaufen, hatte sich auf ihr Lager geworfen und sich ein Kissen auf den Kopf gedrückt, aber auch so konnte sie den Schreien nicht entkommen. Im Gegensatz zu ihrem Vater kannte sie den Namen des Sklaven – Hipponax, ein Grieche –, und auch den Namen seiner Mutter, Atia, die in der Küche arbeitete und deren Wehgeschrei, sobald man mit der Hinrichtung begonnen hatte, sogar noch schrecklicher war als das ihres Sohnes. Außerstande, die Schreie länger als ein paar Augenblicke zu ertragen, sprang Corelia wieder auf und rannte durch die verlassene Villa, um die verzweifelte Frau zu finden, die in dem von Arkaden umgebenen Garten an einer Säule zusammengesunken war.
    Als sie Corelia vor sich sah, ergriff Atia den Saum des Gewandes ihrer jungen Herrin und sank schluchzend zu ihren beschuhten Füßen nieder, wieder und wieder sagte sie, dass ihr Sohn unschuldig sei und was er ihr zugerufen habe, als man ihn fortführte – es sei das Wasser, das Wasser, irgendetwas
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