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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
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schon das ganze Jahr über. Und weswegen? Weil man der Göre das Haus zum Spielen weggenommen hatte? Bevor die Kirche geschlossen wurde, hatte Seyha Anzeichen unbefugten Betretens bemerkt, aber ohne einen Hinweis darauf zu finden, wer es gewesen sein könnte. Nichts war je durcheinandergebracht worden, bis Seyha eines Tages mit Mr. Doiron, dem Sachverständigen, durch das Haus gelaufen war. Das war zwei Wochen vor der letzten Zeremonie gewesen, und Seyha hatte den Vanilleduft einer Kerze gerochen. Sie hatte niemanden angetroffen, doch als sie eines der Buntglasfenster geöffnet hatte, um frische Luft hereinzulassen, erhaschte sie einen Blick auf Gem Davidson, die wie eine Irre zu ihrem Garten rannte. Später wurde sie eines offenen Fensters in einer Kellernische gewahr. Dies war das letzte Mal, dass sie irgendein Anzeichen von dem Mädchen entdeckt hatte – bis zu der Nacht der Säkularisation, in der Bill ein Häufchen schmelzenden Schnees unter der Fensterbank gefunden hatte. Nachdem sie die Dokumente unterzeichnet und das Grundstück offiziell von der Episkopalkirche gekauft hatten, tauschte Bill die Fensterriegel aus. Die kleine Miss Davidson war nie wieder aufgetaucht.
    Bis jetzt.
    Ignorier sie einfach , sagte sie sich.
    In der Eingangshalle stehend erklärte Bill, wie sie den Wandschrank neben der Kellertür hinzugefügt und die Wand, an der jetzt eine der letzten beiden Kirchenbänke lehnte, zwischen jenem Foyer und dem Kirchenschiff hochgezogen hatten. Er klang wie ein Kind, das seinen Eltern stolz etwas Selbstgebasteltes präsentierte. Seyha vermutete, dass dies gar nicht so weit hergeholt war. Noch bevor sich die beiden kennen gelernt hatten, war Joyce Lindu schon seit ewiger Zeit deren Pastorin gewesen – nun ja, zumindest war sie Bills Pastorin. Zum Bedauern ihres Ehemannes hatte Seyha nach nur wenigen Versuchen, Gottesdienste zu besuchen, bereits kurz nach der Hochzeit aufgegeben. Er wusste genug über Seyhas Vergangenheit – der Umstand, dass sie ihre Familie sehr früh verloren hatte, in einem katholischen Waisenhaus in Kambodscha aufgezogen wurde und als Teenager in die USA gekommen war –, um zu vermuten, dass die Gründe für ihre Ablehnung mit jener Zeit zusammenhingen. Sie versuchte nie, ihm diese Auffassung auszureden, die Bestrebungen, ständig mit ihr ausführlich darüber sprechen zu wollen, allerdings schon. Die Vergangenheit lag hinter ihnen. Sie hatte keinen Platz im Jetzt, in ihrem Leben. In den letzten neun Monaten hatte sich Bill zwanghaft mit einer breiten Palette von baulichen Einzelheiten beschäftigt, die ihn bei anderen Projekten normalerweise nicht ein- oder zweimal mit der Wimper hätten zucken lassen. Heute war der Tag, den er herbeigesehnt und gleichzeitig auch gefürchtet hatte – er wollte Reverend Lindu beweisen, dass sie keinen Fehler gemacht hatte, ihn bei dem Plan, die alte Kirche für ihn und Seyha zu renovieren, zu unterstützen. Immerhin war es auch das ehemalige Zuhause der Pastorin gewesen, mit dem sie viele gute und schlechte Erinnerungen verband.
    Joyce nickte anerkennend, als Bill fortfuhr und warf versteckte Blicke durch den doppeltürigen Eingang in das Haupthaus. Dort schien auch ihr Kerninteresse zu liegen, daher berührte Seyha ihren Mann am Arm. »Bill, lass uns bei den wichtigsten Sachen bleiben. Reverend Lindu möchte sich im Moment sicherlich noch nicht mit all den Kleinigkeiten aufhalten. Wenn sie das überhaupt irgendwann hören will.«
    »Bitte, nennen Sie mich doch Joyce.«
    Bill lächelte und nickte zustimmend, während Seyha sie in den Gemeinschaftsraum führte. Das Mädchen lief ihnen wie ein streunender Hund hinterher, um kurz darauf erstaunt nach Luft zu schnappen. Glücklicherweise enthielt sie sich jeglichen Kommentars.
    Ignorier sie einfach , beschwor sich Seyha erneut.
    Der Grundriss in diesem Teil des Hauses, der einst als Hauptkirche diente, war offen; die Abgrenzung zwischen Wohn- und Esszimmer wurde eher durch Bodenbelag denn durch Wände angezeigt.
    Auf der linken Seite war der Boden des Wohnzimmers mit dickem weißem Teppich ausgelegt. Eine Couch und zwei passende Plüschsessel, die zusammen ein U formten und zum Fenster hin ausgerichtet waren, nahmen fast das gesamte Zimmer ein. Rechter Hand wurde der polierte Fußboden mit kleinen Läufern akzentuiert.
    Seyha plante, die neue Heimkinoanlage, die nächste Woche geliefert werden sollte, hier aufzustellen. Dann würde auch das Sofa samt der Sessel in diese Richtung gedreht. Sie
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