Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
Vom Netzwerk:
...«
    Nein, nein, nein!
    »... wenn sich Gem zu uns gesellt? Ich bin mir sicher, sie fände es spannend.«
    Vielleicht wäre es lediglich eine kleine Sünde, nichts, was ihr den Eintritt in den Himmel verwehren könnte.
    Mrs. Watts sah Joyce an, ohne zu antworten. Gem war erleichtert, als sie sah, dass die Nachbarin die Idee ebenso wenig zu mögen schien wie sie. »Aber sicher«, erwiderte sie schließlich und starrte ärgerlich ihr Gegenüber an. »Immerhin hat sich ziemlich viel geändert, seit du das letzte Mal hier warst. Auch das obere Stockwerk.«
    Für einen Schlag setzte Gems Herz aus. Natürlich wusste sie es. Insbesondere nach jener allerletzten Nacht. Da hatte sie unten im Pfarrsaal gestanden, umgeben von gluckernden Kaffeemaschinen und plätzchengefüllten Schalen, als sie durch ein plötzliches Stiefeltrapsen entlang des Hauptgangs gerade noch früh genug gewarnt wurde, um zurück nach draußen zu klettern, bevor alle anderen die Treppe heruntergeströmt wären. Es ging doch nichts über ein Bein, das man durch das Kellerfenster hatte huschen sehen und Schuhabdrücke im Schnee, die nach nebenan führten, um zu beweisen, dass sich die Nachbarn unbefugt Zutritt verschafft hatten. Genau genommen hatte das Haus zu der Zeit den Watts noch nicht gehört – zumindest ging Gem davon aus.
    Es war an der Zeit, sich aus dem Staub zu machen.
    »Das ist schon in Ordnung«, behauptete Gem und trat einen Schritt zur Seite. »Machen Sie ruhig ohne mich weiter, vielleicht klappt es ja ein anderes Mal.«
    Mrs. Watts sah zufrieden aus. »Nun ja, wenn es nicht anders geht. Ich bin mir sicher, dass wir sowieso bald eine Einweihungsparty für die Nachbarn geben werden, da kannst du dann alles zu gegebener Zeit besichtigen.
    Joyce sagte nichts, sie ließ lediglich den Blick von einem zum anderen wandern. Sie zog eine Augenbraue hoch, als sie Gem ansah, wie um zu betonen: Das ist deine letzte Chance! Es kam dem Mädchen wie eine Drohung vor.
    Noch vor zehn Sekunden war Gem bereit gewesen, nach Hause zu laufen und sich unter dem Bett zu verstecken, doch nachdem Mrs. Watts ihre Ausrede hämisch akzeptierte, fühlte es sich wie eine Kränkung an. Offensichtlich war sie nicht gut genug, um dieses funkelnagelneue Heim zu betreten.
    Wäre es nicht eine Genugtuung, ihr das blasierte Grinsen aus dem Gesicht wischen zu können?
    Nach dieser Augenbrauen-Sache entließ Joyce Lindu sie mit einem »Schön, dich wiedergesehen zu haben, Gem«, und schritt in Richtung des Hauses.
    Mit einem Mal fühlte Gem Zorn darüber, ausgeschlossen zu sein, in sich aufsteigen. Das war doch, was du wolltest, oder? Von hier wegzukommen.
    Nein, was sie jetzt wirklich wollte, war, ihrer schnöseligen Nachbarin eins auszuwischen.
    Joyce trat bereits durch die Tür, als Gem auf die Veranda zutrottete, die Augen auf Mrs. Watts gerichtet. Als es schien, dass sie die Tür nun schließen würde, rief Gem, »Na ja, an und für sich würde ich doch gern mit Ihnen mitkommen. Ist auch nicht für lange. Ich wollte mal sehen, was sie mit der guten Stube angestellt haben.«
    Der angespannte Gesichtsausdruck ihrer Nachbarin bescherte Gem das erste bisschen Glücksgefühl an diesem sonst eher unangenehmen Tag. An der Tür vermieden beide jeglichen Augenkontakt.
    Ein Mann wartete direkt im Eingangsbereich. »Reverend, vielen Dank, dass sie gekommen sind.« Als Gem eintrat, fügte er noch ein »Hallo« hinzu. Sofern es ihn überraschte, einen zweiten Gast zu erblicken, ließ er es sich nicht anmerken. »Du wohnst doch nebenan, oder? Gem Davidson, wenn ich mich nicht irre.« Er lachte, als er ihren verdutzten Blick bemerkte. »O ja, ich kann mir Namen gut merken. Ist eine Gabe.«
    Der Typ war groß und schlaksig, in etwa so groß wie Joyce, was schon eine Menge besagte. Er war kein Asiate, so wie seine Frau, sondern besaß schmutzig-blondes Haar und Sommersprossen. Hätte er nicht bereits seine besten Jahre hinter sich, hätte er durchaus süß sein können. Er winkte sie herein und schloss dann die Tür. Joyce gab ihm einen spielerischen Klaps auf den Arm »Eine Gabe, was, Bill? Sie haben doch an der Tür gelauscht.«
    Bill sah Gem an und grinste. »Ertappt.«
    * * *
    Der verblüffte Ausdruck auf Reverend Lindus Gesicht, als sie sich das erste Mal genauer umsehen konnte, war all die Mühen des letzten Jahres wert gewesen. Seyha hätte es natürlich lieber gehabt, die Besichtigungstour ohne dieses Mädchen von nebenan zu veranstalten, das sie beständig anstarrte – wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher