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Pizza House Crash

Pizza House Crash

Titel: Pizza House Crash
Autoren: Denise Danks
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drei.
    Ich war besiegt; mit trotzigem Knall warf ich den Hörer auf die Gabel, und mein Herz schlug wütend. Der Mann war ein unsensibler Pedant, der es nicht verdiente, daß sich irgend jemand, ich oder sonstwer, für ihn anstrengte. Einen einzigen verdammten Tag, dachte ich, für einen verdammten Tag hätte er doch ein Auge zudrücken können. Ich stapfte auf und ab und kaute auf der Ecke meines rechten Daumennagels herum. Dann klingelte das Telefon. Ich riß den Hörer hoch und meldete mich schroff. Es war Anne.
    »Ich dachte, ich rufe noch mal an, George. Ich kann diese Anrufbeantworter nicht ausstehen, und ich war auch nicht sicher, ob du das Ding gleich abhörst.« Sie klang jetzt sehr viel besser als auf dem Band: vernünftig, ruhig, beherrscht. Ich war selbst überrascht, aber bevor ich etwas sagen konnte, fing ich an zu weinen. Die Tränen bestanden aus zwei Teilen Wut, einem Teil Trauer und mehr als einem Spritzer Alkohol.
    Als ich mich wieder ein bißchen gefaßt hatte, sagte ich ihr, daß ich bei der Beerdigung leider nicht dabeisein könnte; ich würde meinen Job riskieren, wenn ich am Drucktag nicht da wäre; mein Chef sei eine mitleidlose Bestie, die es auf mich abgesehen habe. Ich erzählte ihr nichts von der ausgedehnten Mittagspause; ich wußte, daß Max’ Wut dadurch angefacht worden war. Der Wurm des schlechten Gewissens hatte bereits angefangen, sich tief in meinem Innern zu winden. Die Ausrede mit dem Drucktag klang kläglich genug - aber wie sollte ich ihr Max’ erschreckende Persönlichkeit erklären? Trotzdem, Anne war auf ihre typische Art sanft und verständnisvoll, lieb und einsichtig, was meinen miesen Job anging. So hatten sie beide einen moralischen Sieg davongetragen, und ich hatte schon wieder verloren.
    Unser Gespräch wandte sich den Erinnerungen zu, aber nicht für lange. Uns beiden war klar, daß unsere Gedanken unerbittlich auf einen bestimmten Punkt zukreuzten, auf ein unentrinnbares Riff des Familienskandals, das kaum verborgen unter der Oberfläche guter Manieren und zartbesaiteter Empfindsamkeit lauerte. Und natürlich manövrierte sie besser als ich, und ich rammte das Ding als erste.
    »Anne, eines wollte ich dich doch fragen... wegen Julian... seit wann hatte er, äh, dieses Problem?« fragte ich schließlich, als wieder die Vision Julians vor mir erschien, maskiert und rundum nackt bis auf unartige kleine Strapse.
    Sie antwortete mit einem Seufzer und mit deprimiert klingender Stimme.
    »Naja, George, ich wußte nichts davon - keiner von uns wußte es. Woher auch? So etwas hätte er ja wohl mit uns nicht besprochen, oder? Ich meine, woher weiß man, daß jemand... nun, diese Neigung hat... selbst wenn es der eigene Bruder ist? Wir haben ihn dieses Jahr kaum gesehen, und wenn man nur mit ihm telefoniert, ihn hin und wieder am Wochenende sieht und gelegentlich eine Postkarte bekommt, dann erfährt man nicht viel wirklich Wichtiges.«
    Sie verstummte, um ihre Gedanken zu sammeln, und nach kurzem Schweigen fuhr sie fort, als rede sie mit sich selbst. »Ich glaube, daß er nie wirklich erwachsen geworden ist. Er war als Erwachsener nicht besonders reif, obwohl er als Kind immer sehr reif gewirkt hatte. Verstehst du, was ich meine?«
    Ich antwortete nicht, wahrscheinlich weil ich sonst hätte zugeben müssen, daß ich mich selbst eigentlich nie besonders erwachsen gefühlt hatte. Mit fünfundzwanzig hatte ich den Geist meiner Jugend immer noch nicht zur Ruhe gebettet - wer also war ich, daß ich die unreifen Überreste meines armen toten Cousins beurteilen wollte?
    Anne sprach weiter. »Er hatte Freunde. Eddie traf er ziemlich oft... er war also nicht verzweifelt einsam oder so was. Er war im Höhlenforscherclub. Aber keine Freundin - jedenfalls hat er nie von einer erzählt.« Die Vorstellung, daß Julian, ein rundlicher, sommersprossiger Krypto-Transvestit mit einer Vorliebe für klaustrophobische Abenteuer, seiner Familie ein nettes Mädchen vorstellte, war nun wirklich zu drollig, um sie genauer zu betrachten. Ich hätte gelacht, wäre da nicht Eddie erwähnt worden, wobei meine Haut von Feindseligkeit prickelte.
    Eddie war mein Ehemann, in meinen Augen inzwischen ein Psychopath mit dem vorzüglichen Talent, einen netten Kerl zu imitieren. Ironischerweise hatten wir uns durchjulian kennengelernt; der hatte sich mit ihm in einem Sommercamp in den Vereinigten Staaten angefreundet. Unsere unglückliche Ehe hatte sechs Monate gedauert, nachdem wir zum Standesamt gerast waren,
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