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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses
Autoren: Ellis Peters
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zornig ist. Aber was mir Sorgen macht, ist, daß sie uns hier bisher noch nicht ihre Gunst erwiesen hat, so daß Robert glücklich sein könnte und mein Gewissen zur Ruhe käme. Oh, ein paar kleine Dinge sind geschehen, aber kein eindeutiges Zeichen. Was ist, wenn ich nun doch ihren Unmut erregt habe?
    Mir selbst, der ich weiß, was wir dort drinnen auf dem Altar haben, geschieht das nur recht - die Schuld trifft mich allein, wenn ich gefehlt habe. Aber was ist mit den Unschuldigen, die es nicht wissen und in gutem Glauben kommen und auf ihre Gnade hoffen? Was ist, wenn ich die Schuld an ihrer Enttäuschung und ihrer Not trage?«
    »Ich sehe ein«, erwiderte Hugh mitfühlend, »daß Bruder Mark sich mit der Priesterweihe beeilen und rasch zurückkommen muß, um Euch diese Last von den Schultern zu nehmen. Es sei denn«, setzte er mit einem kurzen, etwas schrägen Lächeln hinzu, »die heilige Winifred erbarmt sich Euer und sendet Euch bald ein Zeichen.«
    »Ich weiß bis heute nicht«, grübelte Cadfael, »was ich sonst hätte tun sollen. Es war eine Lösung, die alle zufriedenstellte, sowohl hier bei uns als auch dort. Die Kinder waren frei und konnten heiraten und glücklich werden, das Dorf behielt seine Heilige, und die Heilige hatte ihr Volk um sich. Robert hatte bekommen, was er wollte - jedenfalls glaubte er es, was beinahe dasselbe ist. Und die Abtei von Shrewsbury hat nun ihre alljährliche Feier und kann auf ein volles Gästehaus hoffen, auf reichlich Ruhm und Gewinn. Wenn die Heilige nur einen nachsichtigen Blick in meine Richtung werfen oder mit dem Auge zwinkern würde, damit ich erkenne, daß ich sie richtig verstanden habe.«
    »Und Ihr habt mit niemandem darüber gesprochen?«
    »Kein Wort. Aber das ganze Dorf Gwytherin weiß Bescheid«, räumte Cadfael mit einem schuldbewußten Grinsen ein.
    »Niemand hat es ausgesprochen, das war nicht nötig, aber jeder weiß es. Das ganze Dorf war auf den Beinen, als wir den Schrein aufluden und uns auf den Heimweg machten. Sie halfen sogar beim Tragen und stellten uns einen kleinen Karren zur Verfügung. Robert glaubte, er hätte sie gebändigt, sogar jene, die am Anfang so widerstrebend gewesen waren. Er freute sich sehr. Was er doch für eine schlichte Seele ist! Es würde ihn sehr schmerzen, wenn er es jetzt erführe, wo er doch ein Buch über das Leben der Heiligen schreibt und darin schildert, wie er sie nach Shrewsbury holte.«
    »Ich könnte es nicht übers Herz bringen, ihm einen solchen Kummer zu bereiten«, sagte Hugh. »Je weniger gesagt wird, desto besser für alle. Gott sei Dank habe ich nichts mit dem kanonischen Recht zu tun; das weltliche Gesetz eines Landes, in dem das Gesetz nicht viel gilt, macht mir schon genug Kopfschmerzen.«
    Natürlich konnte Cadfael sich seiner Verschwiegenheit sicher sein; das wurde auf beiden Seiten stillschweigend vorausgesetzt. »Nun, Ihr sprecht die Muttersprache der Dame, und zweifellos hat sie Euch, mit oder ohne Worte, gut verstanden. Wer weiß? Wenn Eure Feier stattfindet - es ist doch der zweiundzwanzigste Juni, nicht wahr? -, dann mag sie Mitleid für Euch empfinden und für Euch ein großes Wunder tun, damit Euer Gewissen zur Ruhe kommt.«
    Vielleicht würde sie das tun, dachte Cadfael eine Stunde später, als er dem Ruf der Glocke folgte, die zur Vesperandacht läutete. Nicht, daß er selbst ein solches Zeichen verdient hätte, aber unter dem unablässigen Strom der Pilger war doch gewiß einer, der es verdient hatte und billigerweise nicht abgewiesen werden konnte. Er würde sich damit demütig und freudig zufriedengeben. Und wenn sie nun achtzig Meilen entfernt war, an dem Ort, an dem die Überreste ihres Körpers lagen? Schon zu Lebzeiten war mit diesem Körper ein Wunder geschehen, denn sie war brutal getötet und dann wiedererweckt worden - und konnten Zeit und Raum einem solchen Geschöpf Grenzen setzen? Wenn es ihr gefiel, konnte sie still und zufrieden mit Rhisiart im Grab liegen, dem Vogelgesang in den Weißdornhecken lauschen und zugleich körperlos hier sein, eine kleine Flamme ihres Geistes im Sarg des unwürdigen Columbanus, der nicht für ihre Erhöhung, sondern für seine eigene getötet hatte.
    Bruder Cadfael ging seltsam erleichtert zur Vesper, nachdem er seinem Freund ein Geheimnis aus der Zeit anvertraut hatte, als sie sich noch nicht kannten. Nach ihrer ersten Begegnung waren sie zunächst potentielle Gegenspieler gewesen, die versuchten, sich gegenseitig an Gewitztheit zu übertrumpfen,
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