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Phön - Tränen der Götter (Die Phön Saga) (German Edition)

Phön - Tränen der Götter (Die Phön Saga) (German Edition)

Titel: Phön - Tränen der Götter (Die Phön Saga) (German Edition)
Autoren: Sascha Vöhringer
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der die Leute aus der Winterstarre erwachten und Tag- und Nachtzyklus wieder ihren normalen Gang antraten. Der Junge trug ein etwas zerrissenes und wohl einige Male selbst geflicktes, gelbliches Hemd mit großen Taschen und eine knielange Hose aus robusten Soprafasern. Seine Schuhe bestanden aus altem, abgeschürftem Leder und sein großer Zeh hatte in einen davon bereits ein großes Loch gestanzt.
    Picardo Wilkin war sein Name und er war kein gewöhnlicher Junge, jedenfalls nicht auf dem Kontinent Golgata, dem sogenannten 'Westlichen Kontinent'. Er wusste nicht, woher er stammte und wer seine Eltern waren. Das Einzige, woran er sich erinnerte, war, dass er vor einigen Jahren von einem fahrenden Händler in der Stadt Goldhafen auf dem östlichen Kontinent gefunden wurde und dieser ihn nach Birgund brachte: ein kleines Bauerndorf nordöstlich der Hauptstadt Archadis. Ein kinderloser Farmer namens Abraham Wilkin nahm ihn dort bei sich auf. Er taufte ihn auf den Namen, den er einst seinem eigenen Sohn geben wollte, der ihm jedoch nie vergönnt war: Picardo. Der Name eines längst vergessenen Helden, einem Grinsekobold, der einst das Land besuchte und wohl einen bleibenden Eindruck hinterließ.
    Obwohl Picardo Wilkin einige Merkmale besaß, die ihn von den anderen Kindern auf dem Land unterschieden, behandelte der Bauer ihn stets wie seinen eigenen Sohn. Tatsächlich hatte Picardo ein Paar buschige Ohren, die denen eines Waschbären ähnelten und aus seinen struppigen, dunkelblonden Haaren herausragten. Früher versteckte er sie so gut es ging unter einer roten Mütze, um sich Sticheleien wie 'Waschbärjunge' zu ersparen. Mit der Zeit hatte sich Picardo jedoch dazu entschieden, diese Ohren mit Stolz zu tragen, um der Welt offen zu zeigen, dass er etwas Besonderes und Einzigartiges war. Denn an Selbstvertrauen mangelte es dem Jungen sicherlich nicht.
    Nachdem Picardo das Fleisch aufgegessen hatte, lehnte er sich zurück, drehte den Anhänger seines Vaters zwischen den Fingern hin und her und dachte, wie so oft, an den alten Bauern, an das Haus in der Steppe vor Birgund und den frischen Wind, der dort durch das Geäst der Bäume wehte. Viel mehr als diese Erinnerungen blieb ihm seit dem Tod seines Vaters vor drei Jahren schließlich nicht. Damals war er ungefähr neun Jahre alt gewesen, aber so genau kannte Picardo sein Alter nicht. Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
    »Na Bürschchen? Biste satt?« Zwei etwas dümmlich wirkende Soldaten vom archadischen Militär tauchten plötzlich vor Picardo auf, grinsten hämisch und richteten ihre Mystrillspeere auf ihn. Mystrill war im Vergleich zu Teutonium nicht ganz so teuer, wurde aber gerne zur Waffenfertigung eingesetzt, da es sich besser verarbeiten ließ. Die Männer trugen leichte Rüstungen mit dem Wappen des Königs, schienen jedoch eher von niederem Rang zu sein, denn Sterne und Auszeichnungen waren keine zu sehen.
    Noch bevor sie blinzeln konnten, schnellte Picardo wie ein Pfeil in die Luft, landete für Sekundenbruchteile auf dem Kopf des linken Soldaten und stieß sich mit ganzer Kraft von dort aus ab, um sich mit einem Salto über den anderen hinwegzukatapultieren, der nur verdutzt in die Luft blickte.
    »Fangt mich doch!«, rief Picardo als er hinter den Soldaten landete, seinen Kopf zurückdrehte und eine Grimasse zog. Dann rannte er los.
    »Verdammt?! Los!«, brüllte der Soldat, der als Trampolin missbraucht wurde und zog sich den Helm wieder aus seinem Gesicht. »Hinterher!«
    Sichtlich verwirrt durch die plötzlichen Höhenflüge des Jungen liefen die Soldaten erst einmal gegeneinander, was ihre Rüstungen scheppern ließ wie einen Berg ungespültes Geschirr. Verdutzt blickten sie sich an, bevor sie endlich die Verfolgung aufnehmen konnten.
    Es begann eine wilde Jagd durch die verwinkelten Gassen von Archadis, bei der Picardo klar im Vorteil war und dabei elegant die Hauswände zu seinem Vorteil nutzte. Von Wand zu Wand stieß er sich ab, schien für Millisekunden an der einen kleben zu bleiben, um sich dann mit einem kräftigen Sprung zur nächsten zu befördern. Er hangelte sich an Fensterbrettern entlang und schwang sich wie im Zeitraffer an Wäscheleinen um die Ecken. Die Soldaten keuchten.
    »Was ist das denn für einer? Sowas hab ich noch nie gesehen!«, japsten sie im Chor. So sehr sie sich auch anstrengten, mit der bemerkenswerten Geschicklichkeit des kleinen Jungen konnten sie nicht mithalten. Picardo kannte die Gassen wie seine
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