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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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keine Gerechtigkeit »an sich« gebe, sondern dass sie abhängig von Nutzen und Interessen sei, enthält der Dialog
Gorgias
, benannt nach einem der berühmtesten Sophisten, die These des Sokrates: »Unrecht leiden ist besser als Unrecht tun.« Dass
     Gerechtigkeit etwas ist, was über die Bedürfnisse und Interessen Einzelner hinausgeht, war auch die Überzeugung Platons. Etwa
     gleichzeitig mit dem
Gorgias
schrieb Platon einen Dialog, den er nie als einzelne Schrift veröffentlichte und dem die Fachleute den Arbeitstitel ›Thrasymachos‹
     gegeben |14| haben. Er schildert die Auseinandersetzung zwischen Sokrates und dem Sophisten Thrasymachos um die Definition der Tugend der
     Gerechtigkeit. Auch hier wendet sich Platon gegen die Meinung, Gerechtigkeit könne mit Herrschaftsinteressen identifiziert
     werden.
    Dass Platon das Thema Gerechtigkeit in einen Zusammenhang mit dem Entwurf eines idealen Staates brachte, hängt wohl mit seiner
     wichtigsten Reise zusammen, die ihn in das damals griechisch besiedelte Süditalien führte. Dorthin war ihm sein Ruf als philosophischer
     Schriftsteller schon vorausgeeilt. Hier hatte sich im 6. vorchristlichen Jahrhundert einer der größten frühgriechischen Philosophen,
     Pythagoras, der Begründer der pythagoreischen Schule, niedergelassen, der sich den Ruf eines gottgleichen Magiers erworben
     hatte. Seine Schüler beschäftigten sich intensiv mit Mathematik und Musik, da sie glaubten, in den musikalischen Harmonien
     und in den Zahlenverhältnissen, durch die man sie ausdrücken kann, lasse sich die Wirklichkeit in ihrer Tiefenstruktur abbilden.
     Auch hingen sie dem aus östlichen Meditationslehren übernommenen Glauben an die Seelenwanderung an. Diese Mischung aus rationalem
     und mystischem Denken übte großen Einfluss auf Platon aus und er nahm sich vor, mit den Pythagoreern zusammenzutreffen und
     mit ihnen zu diskutieren.
    Doch die für Platon prägendste Erfahrung seiner Reise war der Besuch im sizilianischen Syrakus, einer mächtigen griechischen
     Kolonie, wo er im Jahr 389 v.   Chr. eintraf. Dessen Herrscher, Dionysios I., hatte die Demokratie abgeschafft und durch einen Militärstaat ersetzt, der enge
     Verbindungen zu Sparta unterhielt. Dies traf sich mit Platons eigener antidemokratischer Grundhaltung und Sympathie für Sparta.
     Dionysios kokettierte auch gerne mit seiner philosophischen Bildung und es wird kolportiert, er habe seinen drei Töchtern
     die Namen »Tugend«, »Gerechtigkeit« und »Besonnenheit« gegeben.
    Platon war für etwa zwei Jahre Gast des syrakusischen Machthabers, der sich allerdings nicht als der gerechte Herrscher erwies,
     den Platon sich vorgestellt hatte. Das Leben am Hof stand in offenbarem Gegensatz zu der von Dionysios gepflegten philosophischen
     Rhetorik. In seinen Briefen beklagt sich Platon über die ständigen nächtlichen Gelage und Ausschweifungen. Es kam zu einem
     klassischen |15| Konflikt zwischen Macht und Geist. Platons Versuch, als philosophischer Politikberater Einfluss zu nehmen und Dionysios auf
     die praktischen Konsequenzen eines an ethischen Maßstäben orientierten Herrschens hinzuweisen, scheiterten kläglich.
    Dionysios machte keinen Hehl aus seiner Verachtung für den Intellektuellen, der ihn belehren wollte, während Platon den Herrscher
     offen als einen Tyrannen bezeichnete. Die Wege des Diktators und des Philosophen trennten sich also zwangsläufig. Manche Quellen
     berichten, Dionysios habe Platons Schiff nach Ägina gelenkt, einer Stadt, die mit Athen im Krieg lag und deshalb athenische
     Bürger als Kriegsgefangene behandelte, was dem Status von Sklaven gleichkam. Von einem Freund soll Platon schließlich freigekauft
     und nach Athen zurückgebracht worden sein. Auch zwei weitere, in späteren Jahren unternommene Reisen nach Syrakus endeten
     in Zwist und Misserfolg.
    Die ernüchternde Erfahrung, wie wenig Achtung der Philosoph von den politisch Mächtigen erwarten konnte, hielt Platon jedoch
     nicht davon ab, seine eigenen politischen Vorstellungen weiter auszuarbeiten. Im Jahr seiner Rückkehr nach Athen, 387, gründete
     er seine eigene philosophische Schule, die berühmte »Akademie«, vor den Toren der Stadt. Hier nahm nun, in den Jahren nach
     seiner ersten Syrakusreise, sein Hauptwerk über den Staat Gestalt an.
    Es ist bestimmt von Platons Versuch, seinen Konservatismus philosophisch zu begründen und die Konsequenzen aus seinen reichhaltigen
     Erfahrungen zu ziehen. Er wollte das Bild
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