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Phantom der Tiefe

Phantom der Tiefe

Titel: Phantom der Tiefe
Autoren: Vampira VA
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nehmen!
    Anum schälte sich aus den düsteren Gedanken wie aus einem Ko-kon, der sich während des langen Schlafs um ihn geschlossen hatte.
    Die Realität, in der er erwacht war, ekelte ihn. Sie war nicht das, was ihm verheißen worden war!
    Nicht die . Hohe Zeit .
    Gewaltsam konzentrierte er sich wieder auf die Bilder, die der Kelch ihm zur Verfügung stellte.
    Ja, kommt nur, dachte er. KOMMT!
    Er war entschlossen, die Wiege seines verfrüht beendeten Schlafs aufzugeben. Aber zuvor mußte er verhindern, daß irgend jemand diesen Ort jemals wieder besudelte - oder noch schlimmer entweihte als bereits geschehen.
    Danach .
    ... würde er aufbrechen, um die Schuldigen am Niedergang des Großen Traums ausfindig zu machen. Und in Erfahrung bringen, was alles nach der Zerstörung des Doms, nach dem überstürzten Schlußkapitel der SCHRIFT geschehen war.
    Draußen.
    In einer Welt, die von der strengen Hand ihrer heimlichen Herrscher entblößt worden war .
    *
    Der ihn umtosende Wind war so kalt, daß Kemer fürchtete, der dünne Tränenfilm, der seine Augen sonst schützte, könnte zu Eis gefrieren und ihn für immer erblinden lassen. Benommen schleppte er sich durch die Nacht. Jeder Atemzug tat weh. Jeder Atemzug spülte Frost in die hintersten Winkel seiner Lungen und verwandelte den Brustkorb in ein maschinenhaftes Ding, das nicht mehr für, sondern gegen den Rest des Körpers arbeitete!
    Wo seid ihr hingegangen? dachte Kemer.
    Von keinem der Freunde, Bekannten und Verwandten, in deren Fußstapfen er sich bewegte, war noch etwas zu sehen. Trotz ihres klaren Vorsprungs hatte Kemer gehofft, sie noch einholen und sich ihnen anschließen zu können. Der Aufstieg, völlig auf sich gestellt, behagte ihm nicht. Nichts behagte ihm mehr.
    Er brachte sein Leben eines Hirngespinsts wegen in Gefahr!
    Es war die pure Unvernunft, den Heiligen Berg um diese Jahreszeit - noch dazu bei Dunkelheit, ohne entsprechende Ausrüstung und ohne erprobten Bergführer - ersteigen zu wollen!
    Warum tue ich mir das an?
    Er wußte es nicht. Er konnte nicht einmal vor sich selbst rechtfertigen, was ihn dazu trieb, den frommen Wahn seines Großvaters zu teilen, der an ein Gotteszeichen glaubte; an die einmalige Chance, Gott dem Herrn ganz, ganz nahe zu kommen .
    Kemer verlor den Halt unter den Schuhen. Als er stürzte, schürfte er sich die durchfrorenen Hände auf dem schroffen, felsigen Untergrund blutig - und kurz sah es so aus, als würde ihn der Schreck ernüchtern.
    Stöhnend kam er wieder auf die Beine, blickte hinter sich und suchte die Lichter des Lagers.
    Sie waren so weit von ihm abgerückt, daß er bezweifelte, je wieder dorthin gelangen zu können. Eine Befürchtung, die bei allem Grauen auch eine fast unheimliche Ruhe in ihm hinterließ.
    Unbewußt tastete er nach dem Gegenstand, den ihm sein Großvater mit auf den Weg gegeben hatte.
    Das Stück Holz, das aussah und sich anfühlte wie Stein - aber federleicht war.
    Das weder die Kälte der Nacht noch die Wärme des Körpers, gegen den es gepreßt war, annahm, sondern einfach es selbst blieb .
    Kemer krümmte sich. Sein Großvater hatte ihm erzählt, wie er in den Besitz dieses Fundes gelangt war.
    Es war eine unglaubliche Geschichte gewesen.
    Und Kemer war gewiß auch nicht aufgebrochen, weil er sie für bare Münze nahm, sondern weil ihn . etwas anzog - regelrecht
    zwang!
    Er war nicht mehr er selbst. Etwas unsagbar Fremdes, Dominantes hatte sich in ihm eingenistet, und ein paarmal, seit er die Zelte hinter sich gelassen hatte, hatte er Blicke auf sich gespürt. Brennende, sengende, begierige Blicke, die sein Intimstes nach außen kehrten, es betrachteten und abwogen .
    »Nein«, rann es über Kemers Lippen, die spröde geworden waren wie Glas.
    Dann setzte er seinen Aufstieg fort. Die Kälte betäubte jeden Quadratzoll bloßliegender Haut. Er trug eine wollene Mütze, die bis über die Ohren reichte, aber Wimpern und Brauen waren mit Rauhreif überkrustet.
    Kemer wußte nicht, wie lange er so schon unterwegs war. Sein Zeitgefühl blieb wie fast jedes andere Gefühl auch auf der Strecke. Es schien irgendwo zwischen den Klüften und Abgründen, zwischen den Geröllfeldern oder im tiefen Schnee, den er schließlich durchwatete, gestorben zu sein. Dieser Schnee erschien Kemer nicht einmal gewohnt hell, sondern dunkel und schmutzig, dennoch zeichneten sich die Fährten der vorausgeeilten Männer und Frauen deutlich darin ab.
    Angestrengt spähte der Nachzügler nach oben. Einmal glaubte er
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