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Phantom der Tiefe

Phantom der Tiefe

Titel: Phantom der Tiefe
Autoren: Vampira VA
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deren Licht bis auf den tiefsten Seelengrund der Betrachter zu fallen schien.
    Kemer löste den Blick gewaltsam von dem Schauspiel.
    »Großvater .«
    »Ein Zeichen!« wiederholte dieser - und statt mit Kemer den Weg zu den Autos einzuschlagen, machte er kehrt und schleppte sich ins Zelt zurück.
    Kemer folgte ihm wie in Trance.
    Erst im Innern des Zeltes wurde ihm bewußt, wie gefährlich es war, sich von den anderen abzusondern. Wenn wirklich alle flohen, dann .
    Milas sank auf die Knie.
    Im ersten Moment glaubte Kemer, es geschähe aus Schwäche. Dann sah er im Schein der schaukelnden Karbidlampe, daß sein Großvater vor einer kleinen, eisenbeschlagenen Truhe kniete, deren Schlüssel er aus einer Tasche seines Mantels gezogen hatte und den er nun fahrig im Schloß umdrehte.
    »Sei vernünftig!« rief Kemer. »Ich trage die Truhe, wenn etwas Wichtiges darin ist - aber laß uns zu den anderen gehen!«
    Milas winkte ihn wortlos zu sich.
    Kemer konnte nicht anders. Er setzte sich neben seinen Großvater auf die Fersen und sah zu, wie dieser den Deckel der Truhe anhob. Mit zittrigen Händen holte er etwas hervor, das in ein dunkles Tuch eingeschlagen war. Ohne es auszupacken, reichte er es an Kemer weiter.
    »Das«, sagte er beinahe ehrfürchtig, »schenke ich dir. Verwahre es. Vielleicht wird kein Mensch je mehr davon sehen .«
    »Wovon?«
    Das Gewicht des Gegenstands irritierte Kemer. Obwohl er noch nicht wußte, was es war, schien es ihm . nicht passend für das, was in dem Tuch verborgen war .
    Grotesk.
    »Von dem, was ich gesehen habe. Damals.«
    »Da-?« Kemer verschluckte den Rest des Wortes. Draußen vor dem Zelt schrie jemand gellend auf, und dieser Schrei unterschied sich in Ausdruck und Intensität völlig von dem Tumult, der die Pilger erfaßt hatte.
    Kemers Herz übersprang einen Takt, und als er hoch in das Gesicht seines Großvaters sah, bemerkte er auch darin ein erstes Schwanken. Milas schien bislang eine ureigene Meinung über die Ursachen des Phänomens zu besitzen, das sie beobachtet hatten. Er hielt es für eine Art Zeichen. Ein . Gotteszeichen.
    Doch dieser Schrei eben .
    Kemer wollte wieder aufstehen.
    »Bleib!«
    Milas' Hand zielte, wie schon einmal, nach dem Arm seines Enkels - wollte sich wie eine Klammer darum schließen.
    Aber Kemer reagierte gedankenschnell und wich aus. Den noch immer in das Tuch eingeschlagenen Gegenstand hielt er fest und huschte damit zum Ausgang des Zeltes.
    Weiße Atemfahnen trieben hinaus in die Nacht. Er trat einen Schritt vor das Zelt und - - traute seinen Augen noch weniger als zuvor!
    »Was ist?« rief Milas hinter seinem Rücken. Der alte Mann schien immer noch am Boden neben der offenen Truhe zu kauern. »Hat sich etwas . verändert?«
    Ja, dachte Kemer klamm. JA!
    Aber seine Lippen blieben versiegelt, als wären es zwei miteinander verschweißte Metallhälften und seine Zunge ein Klöppel aus Blei .
    Der Bann wich erst, als Kemer eine Art elektrischen Schlag spürte. So heftig, daß er das Ding, das ihn verursacht hatte, im ersten Reflex fast fallenließ.
    Fassungslos löste er seinen Blick von den Pilgern und starrte auf das, was er in Händen hielt.
    Einen Moment lang hätte er geschworen, zu wissen, was sich unter dem dunklen, fein gewebten Tuch verbarg. Glaubte er es unter der Haut aus Stoff wie ein lebendiges Herz pochen zu sehen . sogar zu fühlen .
    ... dann zerstörte Milas' abermaliger Ruf den Zauber.
    »Kemer!«
    Kemer wandte sich hölzern um und stakste ins Zelt zurück.
    Der Lärm der Motoren hatte vollständig aufgehört, aber keines der Fahrzeuge war davongefahren.
    »Kemer . Junge . Setz dich. Du siehst aus, als hättest du -«
    »Großvater .« Kemer kämpfte gegen die Versuchung an, auf der Stelle aus dem Zelt zu stürmen und sich den anderen anzuschließen. Das Ding in seiner Hand pulsierte nun heftiger. Lautlose Glockenschläge hallten durch seinen Körper.
    Milas schien zu begreifen, daß er seinen Enkel hoffnungslos überforderte, wenn er von ihm eine Antwort verlangte, die die Vorgänge draußen erklärte. Schweratmend kam er auf die Beine. Er hustete, bis ihm die Tränen über die eingefallenen Wangen liefen, aber irgendwie schaffte er es aus eigener Kraft zum Ausgang.
    Später, als er zu seinem Lager und zu Kemer, der sich hingesetzt hatte, zurückkehrte, irrlichterte es in seinen Augen, als wären sie ein Teil des Berges, der draußen die Nacht entflammte.
    »Ich verstehe ...«, hauchte der alte Mann. »Sie - folgen dem Zeichen. Du
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