Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)

Titel: Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
Autoren: Robert Greene
Vom Netzwerk:
Baumwipfeln war der Gesichtssinn noch auf Schnelligkeit ausgerichtet gewesen – rasch erkennen und reagieren. Nun im offenen Grasland war es anders. Für die eigene Sicherheit und das Finden von Nahrung war einerseits lange, geduldige Beobachtung der Umgebung nötig, andererseits die Fähigkeit, kleine Details wahrzunehmen und sich darauf zu konzentrieren, was sie bedeuten mochten. Das Überleben unserer Vorfahren hing entscheidend von ihrer Geduld und Beobachtungsgabe ab. Je länger und genauer sie hinsahen, desto besser konnten sie zwischen günstiger Gelegenheit und tödlicher Gefahr unterscheiden. Natürlich sah man mehr, wenn man rasch den Horizont überblickte, aber bei der zur Verfügung stehenden Sehschärfe überflutete man das Gehirn mit zu vielen Details. Der Gesichtssinn einer Kuh ist für den raschen Überblick ausgelegt, der des Menschen auf Schärfentiefe.
    Tiere sind auf ewig in der Gegenwart gefangen. Sie lernen zwar aus kurz zurückliegenden Ereignissen, werden aber leicht abgelenkt von dem, was sich vor ihren Augen befindet. Nach und nach, überwanden unsere Vorfahren diese grundlegende tierische Schwäche. Wenn sie beliebige Objekte nur lange genug betrachteten und sich dabei – auch nur für Sekunden – nicht ablenken ließen, dann konnten sie sich von ihrer unmittelbaren Umgebung zeitweise abkoppeln. So konnten sie Muster erkennen, verallgemeinern und vorausdenken. Sie verfügten über genügend gedanklichen Abstand, um zu denken und zu reflektieren, selbst im kleinsten Maßstab.
    Im ständigen Bemühungen, Raubtieren aus dem Weg zu gehen und Nahrung zu finden, entwickelten die ersten dieser frühen Menschen die Abstraktion und das Denken zu ihrem größten Vorteil. Das verband sie mit einer Realität, zu der andere Tiere keinen Zugang hatten. Das Denken auf dieser Stufe war zweifellos der entscheidende Wendepunkt der gesamten Evolution – die Herausbildung des Bewusstseins und der Vernunft.
    Der zweite biologische Vorteil ist subtiler, dem visuellen Aspekt in seinen Auswirkungen aber ebenbürtig. Die Primaten sind im Grunde alle gesellige Tiere, aber wegen ihrer Verletzlichkeit im offenen Gelände waren unsere frühesten Vorfahren in ganz besonderer Weise auf den Zusammenhalt der Gruppe angewiesen. Nur eine Gruppe konnte ständig und wirkungsvoll nach Raubtieren Ausschau halten oder Nahrung beschaffen. Schon diese frühen Hominiden zeigten ungleich mehr Sozialkontakte als andere Primaten. Im Lauf von Hunderttausenden von Jahren verfeinerte sich diese soziale Intelligenz immer weiter und befähigte unsere Vorfahren, auf hohem Niveau miteinander zu kooperieren. Und wie bei der Wahrnehmung unserer natürlichen Umgebung beruhte diese Intelligenz auf erhöhter Aufmerksamkeit und Konzentration. Das Missverstehen sozialer Signale in einer Gruppe birgt beträchtliche Gefahren.
    Die Weiterentwicklung dieser beiden Merkmale – des Visuellen wie des Sozialen – versetzte unsere Vorfahren vor etwa zwei bis drei Millionen Jahren in die Lage, sich mit der Jagd eine überaus komplexe Fertigkeit anzueignen und zu perfektionieren. Mit wachsendem Einfallsreichtum reifte diese Fähigkeit zu einer veritablen Kunstform heran. Die Jagd wurde durch den Lauf der Jahreszeiten bestimmt, verbreitete sich über die gesamte euro-asiatische Landmasse, und die Menschen passten sich an die verschiedensten Klimate an. In einem raschen Evolutionsschub bis vor etwa 200 000 Jahren wuchs das menschliche Gehirn praktisch bis auf seine heutige Größe an.
    In den 1990er Jahren stieß eine Gruppe italienischer Neurologen auf eine mögliche Erklärung für den erstaunlichen Leistungszuwachs unserer Vorfahren bei der Jagd und lernte gleichzeitig etwas über die Meisterschaft, wie wir sie heute kennen. Bei Untersuchungen an Affenhirnen erkannten sie, dass spezielle Motoneuronen ihre Impulse nicht nur bei einer ganz spezifischen Bewegung – wie dem Ziehen an einem Hebel, um eine Erdnuss oder eine Banane zu erhalten – abfeuern, sondern auch, wenn das betreffende Tier andere beim Ausüben dieser Handlung beobachtet. Diese Nervenzellen wurden schon bald Spiegelneuronen genannt. Das Feuern der Neuronen bedeutet, dass die Primaten das Beobachten einer Handlung praktisch genauso empfinden wie das Ausüben – sie sind also in der Lage, sich in die Lage eines anderen Tieres zu versetzen und dessen Bewegungen so zu erleben, als übten sie diese selbst aus. Dies ist die Grundlage dafür, dass viele Primaten fähig sind, andere zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher