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Pelte, Reinhard

Pelte, Reinhard

Titel: Pelte, Reinhard
Autoren: Inselbeichte
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wählte.
    »Boll.«
    »Hallo Klaus. Tomas hier. Wie geht’s dir?«
    »Hallo, Tomi. Du lebst? Ich machte mir schon Vorwürfe und dachte, du wärst bei der Marine abgesoffen«, erwiderte Boll launig.
    »So schnell geht das nicht, auch wenn ich kurz davor war.«
    »Was, du bist in Seenot geraten? Das glaub ich einfach nicht.« Boll lachte laut.
    »Nicht mit dem Schiff, aber im Pool, als ich die Rettungsweste ausprobierte.«
    »Das muss ja eine tolle Schwimmweste gewesen sein. Normalerweise sind sie dafür da, oben zu bleiben.« Bolls amüsierter Tonfall ärgerte Jung.
    »Dazu will ich weiter nichts sagen, sonst werde ich wieder sauer. Aber deswegen rufe ich dich nicht an.«
    »Okay, vergessen wir das. Was gibt’s denn?« Boll hatte gemerkt, dass es Jung ernst war, und fiel zurück in seinen aufmerksamen Zuhörerton.
    »Erinnerst du dich an das letzte Mal, als ich den Fall des vor Jahren spurlos verschwundenen Mädchens erwähnte?«
    »Ja, dunkel.«
    »Der liegt jetzt vor mir auf dem Schreibtisch. Ich möchte gerne deine Meinung dazu hören.«
    »Gut. Wann passt es dir?«
    »Sagen wir morgen Nachmittag, gegen vier Uhr bei dir?«
    »Geht in Ordnung. Ich bereite eine Kleinigkeit für uns vor. Lässt sich dann besser reden. Aber du musst mir noch erzählen, ob du den verschwundenen Seemann gefunden hast.«
    »Mach ich. Versprochen. Also bis morgen. Tschüss.«
    »Tschüss.«
    Jung legte den Hörer zurück. Er freute sich auf das morgige Treffen. Sicherlich würde Boll einen guten Tropfen aus seinem Keller holen, und bei ihm konnte man sicher sein, dass er bei der herrschenden Witterung keinen eiskalten Rosé servieren würde.
    Jung machte für heute Schluss. Er stieg das kahle Treppenhaus hinunter. Die nasskalte Luft war in den Windfang gesickert, und Jung beneidete Petersen, der in seiner warmen Wachstube stand.
    »Schluss für heute, Herr Kriminalrat?«
    »Ja. Widerliches Wetter draußen. Sie haben es gut in Ihrer warmen Stube.«
    »In Afrika war es sicherlich wärmer, oder nicht?«
    »Woher wissen Sie denn davon, Petersen?«
    »Man hört das Eine oder Andere. Sie sehen ganz normal aus.«
    »Warum sollte ich nicht normal aussehen?«, fragte Jung erstaunt. Petersens Beobachtungsgabe amüsierte ihn.
    »Da, wo Sie gewesen sind? Ich möchte nicht dorthin.«
    »Sie haben falsche Vorstellungen, Petersen. Bei der Marine sind Menschen wie Sie und ich. Sie sollten mal nach Afrika reisen. Das kann nicht schaden.«
    »Gibt’s da nicht überall AIDS? Außerdem fühle ich mich unter Leuten, die immer mit Waffen rummachen nicht wohl. Da kommt doch nichts Gutes bei rüber, finden Sie nicht auch?«
    »Sie übertreiben, Petersen. Tschüss bis morgen«, verabschiedete sich Jung.
    »Tschüss, Herr Jung.« Petersen legte für einen Moment den rechten Zeigefinger gegen die Schläfe und lächelte Jung hinterher.
    Jung verließ die Inspektion und betrat den Hof. Er war in Gedanken versunken. Petersen hatte mit seiner Bemerkung über die Marine einen empfindlichen Punkt in ihm berührt, den er bis jetzt vor sich und anderen verborgen gehalten hatte. Aber er schüttelte jeden weiteren Gedanken schnell ab und widmete sich seiner Verwunderung darüber, dass die Nachricht von seiner Beförderung noch nicht bis zu Petersen durchgedrungen war. Wenn es überhaupt einer in der Inspektion gehört haben konnte, dann mit Sicherheit Petersen. So war er einfach, und Jung mochte ihn so.
     
    *
     
    Auf dem Weg zum Auto dachte Jung an seine Frau. Er überlegte, wie er sie zu Weihnachten mit einem Geschenk beglücken könnte, das sie von ihm nie und nimmer erwartet haben würde. Seine Beförderung stimmte ihn großzügig. Kurz entschlossen verließ er den Hof und lenkte seine Schritte durch die Rathausstraße in die Fußgängerzone. Leicht und locker ertrug er heute die aufdringliche, weihnachtliche Dekorationsorgie, die aus allen Schaufenstern und Lautsprechern und sogar vom Himmel quoll. Es machte ihm auch keine Mühe, sich durch die angetrunkenen Menschentrauben zu kämpfen, die sich um die Punschbuden drängten und die Luft mit launigen Sprüchen erfüllten.
    Bis zur Parfümerie war es nicht weit. Am Eingang überfiel ihn eine Wolke aus Gerüchen und Düften und stieg ihm betäubend in die Nase. Er konnte sich seinen Empfindungen aber nicht weiter hingeben, weil seine Aufmerksamkeit von einer jungen Verkäuferin abgelenkt wurde, die sich ihm lächelnd in den Weg stellte, und die, wie er erleichtert feststellte, keine rote Zipfelmütze auf dem Kopf
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