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Paul ohne Jacob

Paul ohne Jacob

Titel: Paul ohne Jacob
Autoren: Paula Fox
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Körbchen und Tonbehälter mit Obst und Gemüse und Fisch. Es gab auch Vogelnester aus echtem Stroh, in dem Vögel saßen. Paul hätte drei von ihnen in einer Hand halten können. Bisher hatte er sie jedoch nicht anfassen dürfen. Er durfte sie nur ansehen, wenn Grandpa sie ihm hinhielt. Die Nester und Körbchen und Tonbehälter stammten aus allen Teilen der Erde, von den verschiedenen Orten, die Grandpa auf seinen Reisen besucht hatte, nachdem Grandma gestorben war, noch bevor Paul zur Welt kam. Italien und Frankreich, Burma und Japan und Mexiko.
    Wenn er bei Grandpa zu Besuch war, sagte Paul immer gleich als Erstes: »Kann ich mir deine Sammlung ansehen?« Dann machte Grandpa die Glastür auf und holte die Sachen heraus, immer eins nach dem anderen, und zeigte sie ihm.
    Jetzt stand Grandpa aus dem Sessel auf.
    »Du meinst, ich bin alt genug?«, fragte Paul.
    »Ja. Du bist alt genug«, sagte Grandpa. Er setzte sich seine Tweedkappe auf und ging zur Haustür. »Ich geh dann mal«, sagte er.
    Paul malte sich aus, wie Grandpa durch den stillen Flur bis zum Fahrstuhl ging. An der nächsten Ecke würde er in den Abgrund der U-Bahn eintauchen. Wenn ein Zug am Bahnsteig hielt, würde Grandpa einsteigen und zehn Minuten später im Westen der Stadt wieder hervorkommen, zwei Häuserblocks von seinem Studio entfernt. Paul war die Strecke schon oft gefahren. Grandpa ging mit ihm immer in den ersten Wagen. Dort lehnte er sich an ein Fenster, sodass er das Gefühl hatte zu fliegen, quer durch den schwarzen Tunnel, der an den Stationen zu gelben Lichtern explodierte.
    »Komm her und erzähl mir was«, sagte seine Mutter. Paul ging zu seiner Mutter, blieb aber ein paar Schritte vor ihr stehen.
    Sie breitete die Arme aus. Als er nicht weiter auf sie zukam, trat sie zu ihm, beugte sich hinunter und drückte ihn.
    Im Inneren ihrer Arme, mit denen sie ihn umschlang, streifte ihr Haar sein Gesicht.
    Paul erzählte sich selbst die Geschichte, wie es vor diesem Morgen gewesen war, wie Mom und Daddy sich abends über sein Bett gebeugt hatten, während er immer schläfriger und verträumter wurde. Der Anblick ihrer Gesichter hatte genügt, um ihn ins warme Dunkel hinüberzutragen.
    Aus dem Schlafzimmer war ein Schrei zu hören. Mom ließ ihn los und sagte: »Jacob ist aufgewacht.«

GEBURTSTAGSFEIERN
     
     
     
     
     
     
    Obwohl Grandpa nicht weit weg wohnte und die Colemans oft besuchte, schrieb er Paul einmal im Monat einen Brief. Das machte er schon so, seit Paul drei Jahre alt war. Mom oder Daddy lasen ihm die Briefe laut vor, und sie waren wie Geschichten aus einem Buch, das nie zu Ende ging.
    Oft kam ein Satz über Kater Lindy darin vor. Dass er den Vorhang hochgeklettert war, der vor dem einen großen Fenster in Grandpas Studio hing, und mit seinen Krallen Fäden aus dem Synthetikstoff gezogen hatte. Dass er das Lammkotelett vom Herd geklaut hatte, als Grandpa gerade nicht hinsah, und zwar ausgerechnet in dem Moment, als es so durchgebraten war, wie Grandpa es am liebsten mochte. Dass er Grandpa hinter einer Tür hervor angesprungen und sich mindestens eine Minute lang an seiner Hose festgekrallt hatte und dass Grandpa mit Lindy am Bein durchs Zimmer gegangen war.
    Paul verwahrte alle Briefe in einer speziellen Schachtel, die so ähnlich aussah wie ein großes Buch.
    Er hatte zwei Lieblingsbriefe, die Mom ihm immer wieder vorlesen musste. In einem stand: Ich ging gerade die West Street entlang, hing meinen Gedanken nach und atmete die rauchige Luft ein, die nach Flusswasser roch – und da sah ich auf einmal einen riesigen Krebs, der langsam über den Bürgersteig kroch. Was machte so ein Wesen hier in der Großstadt? Mir fiel nur eine Antwort darauf ein, auch wenn es möglicherweise noch andere gibt. Der Krebs musste mit einem der Lastwagen gekommen sein, die Lebensmittel in die Stadt bringen, vermutlich von Chesapeake Bay, die an der Küste im Osten von Maryland und Virginia verläuft. Es war ihm gelungen, aus seinem Behälter zu entkommen und sich hinten am Lastwagen herunterzulassen. Und da war er jetzt, bewegte sich nach Krebsart seitwärts voran und war, wie ich vermute, auf der Suche nach etwas Vertrautem. Ich hob ihn an einer Schere hoch und ging mit ihm in Richtung Fluss.
    Die meisten Leute merkten nichts davon, was ich trug – oder sie taten jedenfalls so, als merkten sie nichts. Aber ein alter Herr, der ganz ähnlich aussah wie ich, nur dass er viel kleiner und runder war, rief: ›W as machen Sie mit diesem
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