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Patterson James

Patterson James

Titel: Patterson James
Autoren: Gruene Weihnacht
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mitmachte und,
glaube ich, gar noch ein Knurren hören ließ. Es war nicht das
erste Mal, dass ich mich diesem Mob gegenüber sah. Ich hatte
sie schon öfter hängen lassen, derart oft, dass Simon mich inzwischen vieldeutig Travis McKinley »den Letzten« nannte.
    »Fröhliche Weihnachten«, bemerkte Sarah, und zwar mit
genau so viel Wärme und weihnachtlicher Stimmung, wie ich
es verdiente.
    »Ich weiß, es gibt keine Entschuldigung dafür«, platzte ich
sofort heraus. »Es tut mir Leid. Ich schwöre, dass ich es selbst
nicht glauben konnte, als ich auf die Uhr sah.«
    »Halb so schlimm, Alter«, erwiderte Elizabeth, die am Vorabend mit dem Flugzeug von New Haven gekommen war.
»Du hast doch bloß das Weihnachtsessen verpasst.«
    »Sei nicht so hart zu ihm, Liz«, schaltete sich Simon ein, und
in seiner Stimme schwang jene Mischung aus gekränktem Stolz
und Sarkasmus, wie sie nur ein Siebzehnjähriger zustande
bringt. »Er hat gerade wieder seine depressive Phase, du weißt
schon, die, in der er seit Armstrongs Mondlandung steckt.«
    Heute ist mir klar, dass Simon meine lange Krise mindestens
genauso wehgetan haben muss wie mir selbst, gerade weil wir
beide uns so sehr miteinander identifizieren. Wenn ich mein
Leben ein wenig früher auf die Reihe bekommen hätte, dann
hätte er vielleicht jetzt nicht diese drei Löcher in seinem Ohrläppchen. Vielleicht wäre er dann auch nicht letzten Herbst
zwei Tage von der Schule ausgeschlossen worden, weil er sich
mit irgendeinem Schläger aus dem Fußballteam eine Rauferei
auf dem Gang geliefert hatte. Aber Simon wird das alles hinbekommen, das weiß ich ganz sicher.
    »Mach dir nichts draus«, tröstete Noah, der es nicht mitansehen kann, wenn jemand am Boden ist, »in genau dreihundertfunfundsechzig Tagen gibt’s wieder ein Weihnachtsessen.«
    »Oh, da wäre ich nicht so sicher«, merkte Sarah an. »Zumindest keins, zu dem du eingeladen bist.«
Ich stand da, mein Gesicht verklebt von Schweiß, Dreck und
getrocknetem Blut, ein Zweig hatte mir das Kinn zerkratzt, als
ich durch den Wald zum Auto gerannt war. Hilflos starrte ich
Sarah an, die ein schlichtes, schwarzes Kleid trug und ihr Haar
nach hinten gebunden hatte. Sie schüttelte immer noch den
Kopf, und der Ausdruck von Abscheu auf ihrem Gesicht war
kaum noch zu überbieten.
»Ich weiß, das glaubt ihr mir jetzt nicht, und es interessiert
euch wahrscheinlich auch nicht«, sagte ich, »aber ich hatte da
draußen gerade so eine Art religiöses Erlebnis.«
»Was? Du hast endlich mal ein paar Putts versenkt?«,
schnaubte Elizabeth, erntete damit schallendes Gelächter und
einen besonders erheiterten, anerkennenden Blick von ihrer
Mutter.
Wann werde ich endlich lernen, mein idiotisches Mundwerk
zu halten?, fragte ich mich verzweifelt. Die einzig erfreuliche
Nachricht war, dass ich es dank meines Spurts durch den Wald
gerade noch rechtzeitig nach Hause geschafft hatte, um den
Abwasch zu machen. Noah, die gute Seele, blieb bei mir in der
Küche und half mir abtrocknen. Die Arbeit und seine Gesellschaft lenkten mich dann wenigstens zeitweise von der lähmenden Vorstellung ab, dass ich am Ende womöglich doch
einmal zu oft Mist bauen und meinen Platz in dieser Familie
endgültig verlieren könnte. Oder vielleicht war das ja schon
passiert.
KAPITEL 6
I
n dieser Nacht fegte der erste richtige Schneesturm dieses
Winters über den Mittleren Westen hinweg. Er legte Chicago
vollkommen lahm.
    Obwohl mir die geschlossenen Büros und die zeitweilige
Unterbrechung des ständigen Stroms von Werbung und
Rechnungen in unserem Briefkasten ganz recht war, fieberte
ich doch nur dem Moment entgegen, wieder auf den Golfplatz
zu gehen, um herauszufinden, ob ich die Puttlinie immer noch
sehen konnte. Waren meine Fortschritte von Dauer oder lediglich ein kurzes Aufglimmen im Universum gewesen, ein eintägiges Weihnachtsgeschenk vom lieben Gott?
    Erst nach fünf Tagen war der Schnee so weit geschmolzen,
dass ich mit meinen Golfpartnern Ron Claiborne, Joe Barreiro
und Charles Hall nach Medinah hinausfahren konnte, einem
der besten Golfplätze des Landes, wo Rons Schwiegervater
Mitglied war.
    Medinah ist ein langer, schmaler, tückischer Golfkurs, ein
echter Prüfstein für jeden Golfer. Als dort 1990 die US Open
ausgetragen wurden, erzielte Hale Irwin mit 67 das beste Ergebnis der ganzen Woche.
Und genau das war auch mein Score. Mit all den Bonuspunkten, die ich für Greenies, Birdies, Sandies, Pressen und
doppeltes Pressen kassierte, waren
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