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Patrick: Eine finstere Erzählung

Patrick: Eine finstere Erzählung

Titel: Patrick: Eine finstere Erzählung
Autoren: Christian Sidjani
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,Paddy Whack’.“
    „Kenne ich beide nicht.“
    „Ich kann sie dir später vorspielen“, sagt er, „Beide spielen Irish Folk. Ziemlich cool.“ Patrick lächelt breiter. Das letzte Wort aus seinem Mund klingt deplatziert, passt nicht zu seiner bisher zurückhaltenden Art. Wie ein Blick durch den Vorhang, der das Dahinter nur erahnen lässt, weil es noch dunkel ist. „Wenn wir später überhaupt zu mir gehen, stimmt’s?“, ergänzt er und sein Lächeln erstirbt.
    Patrizia dagegen lächelt noch immer. Als Teenager übte sie häufig vor dem Spiegel, ein Lächeln solange auf dem Gesicht zu bewahren, dass es weh tat und trotzdem noch ehrlich aussah. Wenn sie lächelt, so erfuhr sie schon früh, braucht sie nichts sagen. Das gefällt ihr umso mehr, weil sie ihre Stimme hasst, die sich viel zu schnell ins Schrille verzerrt, wenn sie nicht aufpasst. Michael ist der Einzige, mit dem sie viel redet, vor, während und nach dem Sex. Und sie glaubt nicht, auch wenn Patrick ihr sympathisch ist, dass sie je so intim mit ihm werden kann. Intim?, denkt sie. Und warum denkt sie überhaupt wieder an Michael? Als würde sie ihre anderen Kunden mit ihm vergleichen.  
    Auf die Stimme konzentrieren, das muss sie tun, nicht auf jemanden, der gar nicht anwesend ist. Wenn sie jetzt nicht aufpasst, dann klingt sie im Gegensatz zu ihrem Äußeren nicht verführerisch sondern dümmlich und zickig und Patrick nahm sie nicht mehr ernst. Das ist ihr früher öfter passiert. Patrizia übte damals also nicht nur das Lächeln, sondern auch das präzise Sprechen, damit ihr kein einziges Wort mehr entglitt. Sie brauchte lange, um das zu perfektionieren, und ein wesentlicher Bestandteil ihrer Strategie war und ist, sich nicht ablenken zu lassen.
    Patrick weiß nun, dass sie ihn testet. Und weil er sich bisher sehr gut anstellte, wie sie findet, will sie ihn belohnen und sagt: „Bisher bist du auf dem richtigen Weg, Paddy.“ Jetzt lächelt er wieder und der Kellner bringt das bestellte Essen.
    „Das hoffe ich sehr“, antwortet er, „Du bist nämlich eine wunderschöne Frau, Patrizia, aber das hast du bestimmt schon häufig gehört. Die Männer stehen Schlange, um mit dir auszugehen. Stimmt’s?“
    Sie ignoriert die Frage und kümmert sich um die wenigen Pfifferlinge, die sich in der Soße ihrer Spaghetti befinden, indem sie sie mit der Gabel einzeln an den Rand des Tellers legt. Dann zieht sie wenige Nudeln auf einen Löffel und dreht kleine Kügelchen zusammen, die sie in ihren Mund steckt. Patrick tut es ihr gleich. Er isst dezent und zurückhaltend, seiner Kleidung und den Gesten wieder angemessen. Sie will zwar nicht vorschnell urteilen, aber Patrizia sieht sich schon am nächsten Morgen in seinem Bett aufwachen und um eine hohe dreistellige Summe reicher. Sie wird ihn in ihr Adressbuch aufnehmen und somit eine weitere Geldquelle schaffen.
    Bei einem dritten Glas Wein werden die leeren Teller abgeräumt und Patrizia spürt eine Schläfrigkeit, die ihre Glieder betäubt und beruhigend durch ihren Kopf wabert. Nach dem Essen passiert ihr das häufiger. Doch bevor sie alkoholisiert und müde nicht mehr das zu leisten vermag, was sie normalerweise bietet, bestellt sie einen doppelten Espresso.
    Während des Essens sprachen sie wenig miteinander, aber ihr fielen seine verstohlenen Blicke auf, die er bemüht war, nicht ständig auf ihr Dekolleté zu lenken. Dass sie keinen BH trägt, muss ihm dennoch aufgefallen sein, so eng schmiegt sich ihr Hemd an den Oberkörper. Ihr braunes Haar ist hoch gesteckt, was es dem Betrachter nahezu unmöglich macht, nicht hinzuschauen. Auch wenn nur die obersten drei Knöpfe geöffnet sind.
    Wer Patrizia an diesem Abend in die Augen blickt, führt in einem unbeobachteten Moment fast unwillkürlich seinen Blick zu ihren Ohren, an denen kleine blaue Steine in einer Silberfassung hängen, die wie Tropfen nach unten zeigen und unauffällig in den sanften Schwung ihres dünnen, langen Halses leiten. Der Betrachter gelangt dann über das Brustbein, welches sich kaum wahrnehmbar hebt und senkt, in den schmalen Schlitz des Dekolletés. Ein natürlicher Vorgang, den Patrizia nicht nur von Männern gewohnt ist. Patrick kann also gar nichts dafür, wenn er sie noch mehr begehrt, als er es ohnehin schon tut. Sie fragt sich nur, ob es ihr dieses Mal gefällt.

IV
     
    Der Abend verläuft zunächst unverbindlich. Patrick erwähnt weder Sex noch Geld und macht ihr keine unnötigen Komplimente. Es liegt nun an ihr zu
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