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Patrick: Eine finstere Erzählung

Patrick: Eine finstere Erzählung

Titel: Patrick: Eine finstere Erzählung
Autoren: Christian Sidjani
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ganz klar. Vielleicht weil sie eine Schwäche für traurige Männer hat, die dankbar sind, wenn eine Frau wie sie sich mit ihnen trifft. Auch wenn Geld dabei eine wesentliche Rolle spielt.
    Patrick erzählt von seinem Verlust, ohne dass ihr dabei unwohl ist. Sie fühlt sich nicht einmal verpflichtet, Beileid zu wünschen. Das Dahinscheiden seiner Frau liegt jetzt mehr als sechs Jahre zurück und bleibt zwar ein unveränderbarer Teil seines Lebens, aber dieser Teil ist vergangen. Er soll ihn nicht mehr daran hindern, neues Glück zu suchen, sagt Patrick. Er weint nicht am Telefon und seine Stimme klingt nach Einsamkeit und dem Verlangen nach einem warmen Körper, den er sich ohne Schuldgefühle leisten darf.
    „Bereit für eine neue Liebe bin ich noch nicht. Aber ich habe Bedürfnisse“, sagte er beim ersten Gespräch, das sie vor zwei Tagen führten. Und heute sagt er: „Ich freue mich wahnsinnig, dich zu treffen. Aber ich gebe zu, ich bin nervös.“
    „Das musst du nicht sein“, antwortet sie, „ich bin Profi.“ Hier funktioniert der Witz und Patrick lacht. Ihm ist es anscheinend nicht peinlich, nervös zu sein. Gut so. Sein Lachen klingt jünger als er ist. Und ehrlich. Nach dem Telefonat freut Patrizia sich sogar, ihn heute zu treffen. Ein Freier ist er für sie nicht, fast ein Blind Date. Und sie fragt sich nie, warum sie sich nicht dreckig fühlt, wenn sie es wieder und wieder tut. Nein, sie fühlt sich nicht einmal dreckig, wenn sie einem Kerl begegnet, der genau das ist, ungewaschen. Es ist, wie es ist, wie ihre Mutter so häufig sagte. Aber sie hatte es ganz gewiss nicht so gemeint. 
    Vor dem Treffen am Abend hat Patrizia noch genug Zeit, sich mit Kommilitoninnen zu treffen, um mit ihnen für ein Referat zu üben. Es fällt ihr nicht schwer, dasselbe dämliche Einerlei zu erzählen wie die anderen. Als wäre sie normal. Aber genau das ist sie, mehr vielleicht als die anderen, weil sie tut, was sie will, und sich von niemandem sagen lässt, was richtig ist. Ficken für Geld. Verbinde das Angenehme mit dem Nützlichen, hatte sie damals gedacht, als sie Daniel kennenlernte, einen Türsteher, der damit beschäftigt war, einen Escort-Service aufzubauen und sie dazu ansprach.
    Daniel und sein Freund Manfred sind es, die ihr den Rücken frei halten und für sie da sind, sollte ein Kunde Probleme machen. Wie es genau dazu kam, dass sie für ihn zu arbeiten begann, weiß Patrizia nicht mehr. Es ist, wie es immer ist, man redet, man denkt darüber nach, man entscheidet sich. Und eines Tages vergisst man, dass vorher alles anders war. Nun ist das Jetzt und die Zukunft. Seit ihre Mutter tot ist, denkt Patrizia nicht mehr an die Vergangenheit.
    Als die Referatsgruppe sich in belanglosen Gesprächen verliert und sich entschließt, zusammen zu kochen, verabschiedet sich Patrizia und sagt, sie habe ein Date. Es ist früher Abend, als sie wieder zu Hause ist und sich umzieht. Sie braucht am längsten für das MakeUp, das ist immer so. Weil es so aussehen soll, als ob sie keines trägt. Für Michael trägt sie nie welches auf, weil sie weiß, dass er es nicht mag. Aber warum denkt sie jetzt wieder an ihn, während sie sich vor dem Spiegel für einen anderen zurecht macht? Vielleicht weil sie in seinem Buch gelesen hat, als sie nach Hause fuhr. Er schenkte es ihr beim vorletzten Mal, sagte: „Das ist das letzte Exemplar. Dann kann ich wenigstens sagen, die erste Auflage ist ausverkauft.“
    Er schrieb keine Widmung hinein, nur seinen Namen. Wahrscheinlich fiel ihm nicht ein, was er schreiben sollte. „Ich bezahle dich gern und jetzt viel Spaß beim Lesen“ oder „Du bist das Geld wert“. Sie hatte bisher nicht viel darin gelesen, in „Jemandsland“, nur die erste Geschichte. Und heute die zweite: „Wer sucht, der schindet Zeit“. Die Hauptfigur ist ein Schriftsteller, wie konnte es anders sein?, der durch eine Begegnung mit einer jüngeren Frau neuen Mut fasst, weiter zu schreiben.
    Um glücklich zu werden, muss der Mensch arbeiten, heißt es gleich zu Beginn, an seinem Leben, seinen Beziehungen, seinem Habitus. Und er tut es gern, denn es lohnt sich. Die Aussicht auf Wohlbefinden, Sicherheit und Liebe ist vielversprechend. Sei es drum, dass der Weg zu diesem Zustand ein manches Mal sehr steinig sein kann. Der Mensch weiß, am Ende dieses Liedes steht ein Koffer vor dem Licht. Um aber vom Unglück verfolgt zu werden, bedarf es nicht mehr als leben, einfaches Da Sein. Pech gelingt am besten, wenn es
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