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Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Titel: Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
Autoren: Langen Müller
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natürlich eine Differenz zusammen, gegen die die alten zehn Prozent Mickymausdimension hatten. Das hatte nun dem Werbeleiter den Job gekostet. Aber das würde dem nicht weiter weh tun, denn wenn er das über längere Zeit praktiziert hätte, wäre er heute ein steinreicher Mann.
    Der Dichter hatte jetzt – seiner Ansicht nach – mehr Wissen als alle Wirtschaftsuniversitäten der Welt zusammen. Ihm war ein für alle Mal klar, dass Gaunerei ein wesentliches Lebenselement von Handel und Wandel darstellt, dass das System aber aus den Fugen gerät, wenn man übertreibt.
    Wenn sich eine Gesellschaft zum bedingungslosen Wachstum bekennt, bekennt sie sich gleichzeitig zum Wachstum der Korruption und macht so den Crash unausweichlich.
    Jetzt wurde ihm seine persönliche Sache zu heiß. Er verspürte die große Sehnsucht nach einer Befreiung von diesem Erwerbszwang, eine Sehnsucht, die angesichts der Rücklagen gut abgestützt war. Mit ausdrücklicher Duldung seiner Freundin, der er übrigens nie etwas von seinem Nebenerwerb erzählt, der er immer etwas von gigantischen Sonderhonoraren und Prämien vorgefaselt hatte, pachtete er ein kleines Café in guter Lage. Er kündigte bei »Allfood«. Dort war man unglücklich, der Personalchef stellte eine nicht zu große, aber immerhin eine Gehaltserhöhung in Aussicht. Der Dichter erklärte geheimnisvoll, sich wieder literarischen Aufgaben widmen zu wollen.
    Er wurde ein geschickter Chef eines gut gehenden Cafés. Wenn das Geschäft einmal ruhig und Platz vorhanden war, setzte er sich gerne in eine Ecke und las die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen und Magazine. Sein gelegentliches Auflachen war für seine Kellner nicht deutbar. Sie gewöhnten sich daran.
    Er hatte auch einen guten Blick für Gäste. Er konnte sie und ihre Arten des Broterwerbes perfekt einschätzen. Einmal saß er in seinem Büro, da kam einer seiner Kellner herein und teilte ihm mit, ein Herr, ein »alter Bekannter« würde ihn gerne sprechen. Nach kurzer Beschreibung wusste er, wer das war. Er wollte sich von dem Werbeleiter von einst nicht zu seinem Wohlstand gratulieren lassen.
    Ja, das muss noch gesagt werden: Der Cafetier schrieb auch hie und da noch ein Gedicht. Aber nicht mehr über Sonne, Meer und Wind, sondern eher über Müllberge und Klimakatastrophen.

Zimmer 87
    »PREGO, GEBURT, ADRESSE, UNTERSCHRIFT«, sagte der Rezeptionist zum neuen Hotelgast. »Nur beim ersten Mal.«
    Der Rezeptionist war mit dem Gast nahezu gleichaltrig, also eher jung, rund um die dreißig vielleicht, ein feingliedriger, eleganter Italiener, dessen Akzent mit einem nahezu perfekten Deutsch eine wunderbare Sprachmelodie ergab.
    Der Gast füllte den Meldeschein aus, der Rezeptionist rief einen Boy herbei und sagte: »Für den Signore Conte Zimmer 87.«
    Der Gast, schon im Abgehen, drehte sich um und stellte richtig: »Ich bin kein Conte.«
    »Aber …«, der Rezeptionist verwies mit einem Frageblick auf den Meldezettel.
    Der Gast begriff.
    »Sie meinen, wegen dem ›von‹? Ja, ich heiße so. Es ist mir einerseits peinlich, andererseits habe ich gemeint, es schadet nichts, ich bin nämlich Schauspieler.«
    »Ich weiß, Signore Conte.«
    Der Gast resignierte zunächst und bezog sein Zimmer in dem keineswegs erstklassigen, aber doch sehr angenehmen Hotel. Er würde es – mit Unterbrechungen – für ein Jahr und, falls seine Fernsehserie verlängert würde, wohl auch darüber hinaus bewohnen.
    Das Hotel in dieser Film- und Fernsehstadt war ihm von Kollegen empfohlen worden. Es lag in jeder Hinsicht günstig, Verkehrsanbindungen, gastronomische Infrastruktur, Parknähe, alles perfekt. Was aber das Entscheidende für seinen Entschluss, es zu wählen, war: Erfahrene Kollegen hatten ihm erzählt, dieses Hotel wäre das diskreteste weit und breit. Niemals würde ein Journalist von irgendeiner Ankunft oder Abreise informiert werden, niemals würde er erfahren, welche Dame und welcher Herr zufälligerweise zu gleichen Zeiten in diesem Haus wohnten, niemals würde dieses Hotel verschulden, dass die in den Journalen dargestellte Monogamie dieser oder jener Szenefigur keiner näheren Überprüfung standhielte. Das war für den Gast der wichtigste Anreiz gewesen, denn der war zwar schon seit seinen Anfängerzeiten in einer fixen Bindung, litt unter dem Vokabel »fix« aber seit einiger Zeit und nahm sich fest vor, die durch diesen Karriereschritt unvermeidliche Trennung ordentlich auszunützen.
    Er hatte gar kein Casting bestehen müssen.
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