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Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Titel: Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
Autoren: Langen Müller
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gibt’s nicht! Jedenfalls nicht im Französischen.«
    »Was heißt, das gibt’s nicht? Das gibt’s in allen Sprachen. Ich kann kein Französisch. Ich hab Italienisch gewählt. Ich bin Tenor. Auf Italienisch heißt das inamorare, von amore, auf Französisch, logischerweise von amour abgeleitet –«
    »Tut mir leid, so ist es eben nicht. Das Lied muss anders heißen.«
    Er wollte nicht streiten.
    Er lenkte das Gespräch auf die wunderbare Presse, die er für sich persönlich hatte. Sie kamen sich näher, sie wurden per du. Er brachte sie nach Hause. Als er sie vor ihrer Haustür küssen wollte, hielt sie ihm ihre beiden Wangen hin. Das fand er völlig in Ordnung.
    »Ruf mich an«, sagte sie.
    Er ging teils schwer verliebt, teils völlig verwirrt ins Hotel. Denn noch hatte er keine passende Wohnung gefunden. Er kam in sein Zimmer und öffnete den Koffer, in dem alle seine Noten ungeordnet lagen. Er wusste, der Song, also die kommerzielle Bearbeitung der Komposition, musste da irgendwo drin stecken. Er suchte eineinhalb Stunden. Dann hatte er das Notenblatt in Händen. »Warum müssen Jahre vergehn« / engl. »My prayer« / frz. »Avant de mourir«.
    Es rührte ihn fast der Schlag. Er ahnte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, was »mourir« heißt. Nach einer unruhigen Nacht rief er am Morgen seine alte, gebildete Mutter an.
    »Mourir heißt im Französischen doch sterben, nicht?«
    »Natürlich. Warum fragst du?«
    Er stotterte etwas von einem Liedtext, den er zu übersetzen vorhätte.
    Vor dem Sterben. Vor dem Sterben. Vor dem Sterben. Immer wieder sagte er sich das stumm vor. Dann rief er die Fernsehjournalistin an.
    »Schön, dich zu hören.«
    »Wundere dich nicht. Ich muss dich dringend sprechen. Heute Abend. Dringend. Im Dubrovnik. Ja?«
    Sie kam zur vereinbarten Stunde, fünf Minuten danach.
    Er stand vom reservierten Tisch auf, einen riesigen Strauß roter Rosen in Händen.
    Bevor sie noch fragen konnte, was das soll, sagte er: »Willst du meine Frau werden?«
    Während ihr Gesicht Zustimmung signalisierte, wollte sie wissen: »Wie kommst du so plötzlich auf die Idee?«
    »Ich weiß jetzt, was ›Avant de mourir‹ heißt und ich bin mir sicher, dass ich vor dem Sterben keinen Tag ohne dich leben möchte.«
    Sieben Jahre danach, er war schon wieder geschieden, gastierte er in einer mittleren Stadt, um seinen ersten Lenski in »Eugen Onegin« auszuprobieren. Schon vor der Vorstellung hatte er die Kollegen gebeten, mit ihm danach sein Rollendebüt zu feiern. Der Theaterportier hatte ihm ein Lokal seines Anforderungsprofils empfohlen. »Zum Czikos«.
    Eine gut aufgelegte Sängerrunde plus Dirigent und Agent betrat ein sehr folkloristisches Balkanlokal, in dem ein dicker, glatzköpfiger alter Geiger, begleitet von einem Pianisten, lustlos spielte.
    Der Geiger sah den Tenor, brach ab, sagte ein Wort zum Pianisten und begann grinsend das Lied.
    Und es sollte doch »Avant d’amourir« heißen, dachte der Tenor. Das passt einfach besser.
    Er war, wie gesagt, Kitschist.

Poesie und Wirtschaft
    DER DICHTER FÜHLTE SICH ELEND. Der November und die rinnende Nase machten ihn depressiv. Mit den Mädchen lief nichts wirklich Erfreuliches. Sein Begabtenstipendium war eben abgelaufen. Die universitäre Weiterbildung war ihm verwehrt, da er das Gymnasium vorzeitig verlassen hatte. Was wiederum zur Folge hatte, dass ein Parken im Elternhaus nicht erwünscht war.
    Von den Eltern. Klarerweise.
    Er musste also etwas unternehmen. Ob mit der Würde eines immer noch verkannten Genies vereinbar oder nicht, durfte keine Rolle spielen. Er hörte sich um. Das heißt, er zog von Lokal zu Lokal und befragte Menschen der Szene nach Verdienstmöglichkeiten.
    Er hatte ziemlich rasch Glück. Ein Freund aus Zeiten, da man noch in der U-16 gekickt hatte, war Texter einer bekannten Werbeagentur. Der erzählte, die Agentur hätte eben einen wichtigen Kunden verloren, den Lebensmittelkonzern »Allfood«. Nicht wegen mangelnder Leistung, mangelnden Erfolgs, sondern weil die expandierende Kette beschlossen hatte, in der Zentrale eine hauseigene Werbeagentur zu begründen.
    »Ich kenn den Mann, der dort Werbeleiter wird, das war nämlich der Kontakter zu unserer Agentur. Der wollte mich abwerben, aber der Gagenvorschlag hat keinen Jobwechsel gerechtfertigt. Wie ich abgelehnt hab, hat er mich gefragt, ob ich einen guten, originellen, freien Texter kenn. Ich hab gesagt, ich werde nachdenken. Ruf den an. Beruf dich auf mich. Ich hab die
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