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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert
Autoren: Merle Robert
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entschlossene Gebärde des im Kampf und in allen athletischen Übungen erprobten Mannes. Groß war er nicht, und seine Beine wirkten für seinen Körper zu kurz, aber sie trugen ihn unermüdlich bei Marsch, Tanz und Spiel wie in der Schlacht, sie hielten ihn zwölf Stunden nacheinander im Sattel, wenn Pferd und Gefolge schon kaum mehr konnten. Danach tanzte er wie ausgelassen, jagte Hasen oder vögelte hinter einem Gebüsch, aß mit Knoblauch eingeriebenes Brot, trank, was der Becher hergab, schlief wenig und hatte so ungehobelte Manieren, wie sein Geist geschliffen war. Denn was politische Schläue anging, übertraf er, glaube ich, sogar noch meinen Herrn.
    Als Rosny und ich zu ihm kamen, hielt er in seinem Zelt Mahlzeit. Châtellerault hatte er noch nicht betreten, seine Offiziere handelten mit den Royalisten noch die Übergabe aus. Und obwohl vor seinem Tisch ein Schemel stand, setzte er sich nicht, sondern kaute im Stehen (wie Pferde, mit denen er das lange Gesicht gemeinsam hatte). Und das Fleisch führte er mit den Fingern zum Mund, denn was wußte er davon, daß man am Hof meines geliebten Herrn längst mit Gabeln speiste? Und offen gesagt, er trank so ungezügelt und schlang so große Bissen in sich hinein, daß Bart und Wams anzeigten, was er gegessen und getrunken hatte.
    Nicht daß es sonderlich schade war um dieses verschlissene graue Wams, abgewetzt an Schultern und Ellbogen, was daher rührte, daß Navarra die ganzen letzten Jahre kaum aus dem Harnisch gekommen war. Und ich will nicht einmal beschwören, daß es nicht sein einziges Wams im Kriege war, denn ich sah ihn am nächsten Tag beim Schlagballspielen in einem zerrissenen Hemd, so wenig bekümmerte sich Henri um seine Kleidung, zumindest im Feldlager.
    |12| »Ha, Sire!« sagte Rosny, der trotz seiner hugenottischen Sparsamkeit sowohl für sich wie für seinen König auf Repräsentation hielt, »wie seht Ihr aus! Euer Wams ist ganz fadenscheinig.«
    »Der Béarnaiser ist arm«, sagte Navarra mit vollem Mund, »aber aus gutem Haus.«
    Womit er Rosny einen zwinkernden Blick zuwarf. Indessen hielt es ihn an keinem Fleck, hierhin und dorthin trabte er durchs Zelt, während er gierig seinen Kapaun malmte, und starrte von Zeit zu Zeit nach den Mauern von Châtellerault, in welchen die große Bresche klaffte, die seine Kartaunen geschlagen hatten – Kanonen wußte er so geschickt einzusetzen wie kein zweiter Feldherr in diesem Jahrhundert.
    »Rosny«, sagte er, »was ist mit dem Übergang über die Loire, den ich vom König zu meiner Sicherheit verlangt habe, wenn ich ihn eines nahen Tages treffen soll? Gibt es darüber nun einen Vertrag?«
    »Der König ist der Sache zugeneigt«, sagte Rosny. »Und ich habe mit Monsieur de Brigneux gesprochen, dem Gouverneur von Beaugency, einer kleinen, aber guten Stadt an der Loire, der mir versicherte, niemals würde er die Liga in seine Stadt lassen, aber sofort jeden, den Ihr ihm schicken wolltet.«
    »Schön«, sagte Navarra.
    Er legte das Gerippe des Kapauns in seinen zinnernen Napf und putzte sich die Finger an einer Serviette, die ein Page ihm reichte, dann nahm er einen langen Zug aus seinem Becher, stellte sich wiederum breitbeinig, eine Faust in der Hüfte, vor die Zeltöffnung, schaute nach Châtellerault und kratzte sich den Kopf.
    »Was meint Ihr«, fuhr er fort, indem er uns seine lange Nase und seine scharfen Augen zuwandte und Rosny und mich anblickte, als erwarte er Antwort von uns beiden, »ob der König mir gut gesinnt ist und ehrlich mit mir verhandeln will?«
    »Derzeit ja, das wißt Ihr doch, Sire«, sagte Rosny, »und müßt es nicht bezweifeln. Ihn zwingt die Not, gegen die Gefahren, die ihm drohen, hat er kein anderes Mittel als Euren Beistand.«
    Da ich geschwiegen hatte, richtete Navarra seine klugen Augen auf mich und fragte in dem leutseligen Ton, der ihm unter den Edelmännern, die ihm dienten, so viele Freunde geschaffen hatte: »Und Ihr, Monsieur de Siorac, was meint Ihr?«
    |13| »Sire«, sagte ich, »es ist nicht nur die Not. Der König liebt Euch, er hat Euch immer geliebt, dessen könnt Ihr gewiß sein. Das sage ich Euch als sein Diener, Sire. Und ich sage es Euch in aller Ergebenheit und Loyalität als seinem designierten Thronfolger, und sage es auch als Hugenotte, der ›gezwungen geht‹.«
    Über diese Redensart, die bedeutete, daß ich die Messe nur mit halbem Ohr hörte, lachte Navarra, aber nicht wie mein geliebter Herr, indem er kaum die Lippen öffnete und die Hand vor den
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