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Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Titel: Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
Autoren: Hubert Wolf
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Glaubensgemeinschaften erhoben haben, im wahrsten Sinn des Wortes auf einen Begriff zu bringen. Im kurialen Sprachgebrauch der dreißiger Jahre scheinen die Begriffe «total» und «totalitär» ohnehin synonym verwendet wordenzu sein, so daß in den dreißiger Jahren noch nicht von einem elaborierten Totalitarismusbegriff ausgegangen werden kann.
    Das dualistische Weltbild der Katholiken ist ernstzunehmen, an ihm orientierten sie sich im Kampf mit den neuen Ideologien. «Eine religiöse Betrachtung des Nationalsozialismus muß» – so schrieb Eric Voegelin (1901–1985), der den Begriff der «politischen Religion» wissenschaftlich maßgeblich prägte, 1938 im amerikanischen Exil – «von der Annahme ausgehen dürfen, daß es Böses in der Welt gebe; und zwar das Böse nicht nur als einen defizienten Modus des Seins, als ein Negatives, sondern als eine echte, in der Welt wirksame Substanz und Kraft.» Und er fügte hinzu, «einer nicht nur sittlich schlechten, sondern religiös bösen, satanischen Substanz» könne «nur aus einer gleich starken religiös guten Kraft der Widerstand geleistet werden». Man könne «eine satanische Kraft» mit «Sittlichkeit und Humanität allein» schlicht nicht «bekämpfen». Letztlich seien nur «große religiöse Persönlichkeiten» zum «Widerstand gegen das Böse» fähig, nur sie könnten den Kampf gegen die äußerst attraktive Kraft des «Luziferischen» in die Hand nehmen.[ 3 ] Wenn überhaupt jemand, dann war aus der Sicht der Kirche der Papst als Stellvertreter Jesu Christi auf Erden als Nachfolger der Inkarnation der Güte Gottes dazu berufen, den Kampf gegen das Böse zu organisieren.
    Die Lehre der Kirche malte diesen Kampf zwischen Gut und Böse in grellen Farben aus, und in der Vorstellungswelt der Päpste und vieler Katholiken war er durchaus real. Der Papst hatte den damit verbundenen Erwartungen gerecht zu werden, und die papsttreuen Gläubigen sahen sich vor die Wahl gestellt: Sie mußten sich entscheiden zwischen Wahrheit und Irrtum, zwischen ewigem Heil und ewiger Verdammnis – zwischen Papst und Teufel eben. An dieser Grundentscheidung hatten sie ihr Handeln auszurichten. So wie Christus in der Wüste dreimal vom Teufel versucht wurde und ihn dreimal zurückwies (Matthäus 4,1–11), so sah sich der Papst als Repräsentant Christi auf Erden gefordert, sich dem Bösen zu stellen, um als «guter Hirte» die ihm anvertraute Herde sicher durch die finsteren Schluchten zu den ewigen Weideplätzen im Himmel zu führen und keines seiner Schäfchen auf dem Weg durch diese Zeit mit all ihren Gefährdungen zu verlieren.
    Es ging Pius XI. also um den Schutz ewiger, unveränderlicherWahrheiten und damit letztlich um den Heilsauftrag der katholischen Kirche in dieser Welt, deren Verteidigung den Papst sogar mit dem, was er für das Böse in Person hielt, in Kontakt treten ließ. Damit sind nicht nur die totalitären Weltanschauungen des 20. Jahrhunderts wie Kommunismus, Nationalsozialismus, Faschismus, Franquismus oder ein radikal antikirchlicher Liberalismus als «böse» antichristliche Ideologien gemeint, auch nicht nur Stalin, Hitler, Mussolini oder Franco als dunkle Fürsten dieser Welt. Hinter dem Satan verbergen sich in den Augen des Papstes auch nicht nur die totalen Ansprüche der modernen Nationalstaaten auf die Seelen ihrer Bürger. Der Teufel steht für ihn vielmehr als Chiffre für all die modernen Versuchungen und prinzipiellen Infragestellungen der ewigen göttlichen Wahrheit, die Jesus Christus geoffenbart hat und deren Garant in der Welt die katholische Kirche und nicht zuletzt der Nachfolger des Apostelfürsten Petrus, der Papst selbst, ist. Der «böse» Zeitgeist will durch seine Einflüsterungen, seien sie materieller oder ideeller Art, die Christgläubigen vom rechten Weg abbringen, so daß sie ihren von Gott gewiesenen Lebensweg und ihr ewiges Seelenheil verlieren. Es geht um nichts weniger als die alles entscheidende Frage, ob es dem Papst als Haupt der
ecclesia militans,
der streitenden Kirche in dieser Welt, gelingt, für die Katholiken das Tor zum Himmel offenzuhalten und die Pforten der Hölle zu verschließen.
    Die Existenz der Hölle als Ort ewiger Verdammnis und das Wirken des Teufels in dieser Welt standen zur Zeit Pius’ XI. für gebildete Theologen und einfache Katholiken gleichermaßen außer Frage, sie waren bedrohende Realität. «Die Offenbarungen Christi über den Teufel sind von großem Ernst», schrieb etwa der Freiburger
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