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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere
Autoren: Kurt Tucholsky
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Sternheim-al-Snob, der sich im Glanze einer Perlenkette sonnte, es war aber nur eine Perle daran; der Prinz von Theben; der Leibarzt des Kalifen, Unruh-Pascha, der Erfinder des immanenten Durchfalls; Omar-Klabund, ein vornehmer Perser, der hinter einem Steinklöpfer herjagte, weil der ihm einen Film weggenommen hatte; der junge Seeler-Hassan: der schoß, kaum wurde er unser gewahr, auf unsre Wasserpfeife, er mochte Pfeifen nicht; Abdullah Zuckermayer, der Besitzer eines berühmten Weinbergs, um den allabendlich, in der Dämmerung, die Säue grunzten; Fatme Geßlerine, eine bekannte Märchenerzählerin; der alte Kümmeltürke Bahr, der Mohammedaner geworden war, von der letzten Bekehrung her hatte er noch ein Kreuz um den Bauch baumeln. Auch zwei vermummte Gestalten bemerkte ich im Zug, die waren in weiße Tücher gehüllt, weil der Herausgeber der »Weltbühne« mir verboten hatte, sie anzugreifen, die alten Teppen – und so zogen sie ungenannt dahin. Und ich reichte dem Reimann-Effendi mein Riechbüchschen mit Sago, und er hielt es an die edel geformte Nase und sagte die Verse:
    »Wer ist der schöne Reiter dort, der keines unbeschnittnen Christenhundes Wut wich?
    Gännsde dähn? Das ist wohl Aemil Ludwig!«
    Und ich antwortete mit den Versen:
    »Wer ist der edle Moslem dort – mit jenem rosa Pickele? Gännsde dähn? Das ist wohl René Schickele!«
    und so sprachen wir noch viele schöne Verse.
    Und es ritt ein Fremdling im Gedränge mit, den niemand kannte – in einem sonderbaren Kostüm. Wie sich später herausstellte, hatten wir den Ritter von Hofmannsthal gesehen, einen Christen, den die Türken bei der Belagerung von Wien im Jahre 1529 dort zurückgelassen hatten, als einzigen seines Stammes; der hatte sich zur Abwechslung als Orientale verkleidet, und daher erkannte ihn im Morgenlande kein Mensch. Auch trieb sich ein Gaukler in der Schar umher, mit einem Tigerfell, darunter eine Panterhaut, darunter die Federn eines Wrobels – und unter alledem ein magerer, blau rasierter Kerl, mit einem Gesicht, wie wenn er Essig gesoffen hätte.
    Und es folgten, auf Pferde gebunden, die Kriegsgefangenen der Kavalkade: die verfluchten Söhne des Sozi-al-Demokrat. Auf dass sie weicher säßen, hatte man ihnen einige Kompromisse untergelegt, und doch waren sie braun und blau am ganzen Leibe, Allah weiß, von wem sie ihre Prügel bezogen hatten; und es war einer dabei, Hörsing aus Bagdad, das war ein Barbier und ein fürtrefflicher Schaumschläger vor dem Herrn. Und nach ihnen tänzelte noch ein junger, aber falscher Prinz, in Wahrheit ein Edschmid von Beruf, hier aber hieß er der Aufgewachsen-Bey, und das war der allerletzte.
    Und als sie alle versammelt waren, siehe, da wurden wir Zeugen eines unvergeßlichen Schauspiels. Aufbäumten sich die Pferde der Fantasia, der Staub wirbelte, einer der Reiter erhob die Flinte und gab einen Schuß ab. Bestürzt und erschreckt hielt die Kavalkade der Tausende – sie dienten jetzt fünfundvierzig Jahre der Fahne des Kalifen –: aber einen Vorschuß hatten sie noch nie erlebt.
    Und als sie alle, alle so auf ihren Pferden regungslos in der untergehenden Sonne hielten, horch, da sang der Muezzin vom Turm der nahen Moschee sein Abendgebet. Und also sprach der Muezzin:
»Allah-il-Allah – es gibt nur einen Gott, und Mohammed, der Heilige von Mokka und der ganzen Medine, ist sein Prophet!
Höret. Gläubige!
Lobet den Brecht, denn der Bronnen ist nicht weit – und ein Thomas in der Hand ist besser als ein Klaus auf dem Dach…
Wenn dich Kerr lobt, ist es Fatum; wenn dich aber Ihering tadelt, ist es Kismet, und so spielen sie das Spiel: Haust du meinen Moslem, hau ich deinen Moslem…! Gedenket in Liebe Paul Valérys, der da Mode ist unter den Völkern; wer ihn aber lesen kann, dem will ich was prousten…
Herrgott, wie groß ist deine literarische Welt, wie erhaben deine Weltbühne und wie mannigfaltig dein Tierreich…
Und wer da eingeht in die Gesamtausgabe, dem ist das Paradies sicher, mitsamt den Houris, die da rufen: Na, Kleener –?
Es ging ein Fischer aus, einen Wolff zu suchen, aber es war eitel Reiß in seinem Netz, und als er sich den Schaden besah, da war die himmlische Schmiede leer… Zeucht hin in Frieden, vermehret euch wie die Sandflöhe am Meer, denn wir haben noch nicht genug…
Allah-il-Allah –!«
    Da erhob sich ein brausender Ruf aus tausend und aber tausend brauner Kehlen. »Wem sagen Sie das –!« riefen die degenerierten Wüstensöhne.
    Der östliche Abend
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