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Palazzo der Liebe

Palazzo der Liebe

Titel: Palazzo der Liebe
Autoren: Lee Wilkinson
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Sophia etwas abwesend und brannte darauf, endlich mehr über ihn zu erfahren. „Darf ich fragen, wo Sie leben?“
    „Nach dem Studium die meiste Zeit in New York.“
    „Oh.“ Bedeutete das etwa, er lebte immer noch in New York? Wenn ja, sank die Chance, ihn je wiederzusehen, gen null, so viel stand fest.
    Doch sie versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. „Ihr Akzent … irgendwie kommt er mir nicht typisch amerikanisch vor“, hakte sie vorsichtig nach.
    „Das ist er auch nicht, sondern eher eine Mixtur. Ich bin zwar bereits als Kind in die USA übergesiedelt, aber einer langen Familientradition zufolge habe ich in England studiert.“
    „Dann haben Sie also englische Wurzeln?“
    „Väterlicherseits ja, aber meine Mutter ist Italienerin.“
    Das erklärte auch den südländischen, für naturblonde Menschen ziemlich untypischen Teint … und die winzige Färbung in seinem Akzent, die sie bisher nicht hatte einordnen können.
    Dann haben wir ja doch etwas gemeinsam, ging es ihr durch den Kopf.
    „Meine Mutter war auch Italienerin!“ Ihre Stimme bebte leicht vor Aufregung.
    „Was für ein Zufall“, murmelte er. „Darf ich ihren Namen erfahren?“
    „Maria.“
    Sie erwartete weitere Fragen oder Bemerkungen, aber zu ihrem Erstaunen wechselte er abrupt das Thema.
    „Werden Sie jetzt ganz allein hier wohnen bleiben?“
    „Ich weiß noch nicht“, gab sie wahrheitsgemäß zurück.
    „Mit drei Schlafzimmern ist die Wohnung eigentlich viel zu groß für mich. Als mein Vater noch lebte, war sie perfekt für uns, das dritte Zimmer zur Nordseite benutzte er als Atelier.“
    „Das erinnert mich daran … besitzen Sie noch dieses Porträt, das mir so ähnlich sehen soll?“
    „Ja.“
    „Darf ich es mir vielleicht kurz anschauen? Sie haben mich wirklich neugierig gemacht.“
    „Es … es hängt in meinem Schlafzimmer“, bekannte sie etwas unbehaglich.
    Er schaute in ihre schönen Augen, die er hier, im Schein der Wohnzimmerlampe, als dunkelsmaragdgrün mit goldenen Pünktchen identifizierte.
    „Ich habe damit kein Problem, solange es Ihnen nichts ausmacht“, erklärte er mit einem kleinen Lächeln.
    Nicht der Umstand, dass es in ihrem Schlafzimmer hing, beunruhigte Sophia. Aber das Porträt ähnelte ihm tatsächlich sehr, und sie bekam plötzlich Angst, er könne erraten, wie viel es oder er ihr bedeutete.
    „Es macht Ihnen doch etwas aus“, stellte er fest. „Vielleicht wollen Sie mir lieber ein anderes Werk Ihres Vaters zeigen?“
    „Nein, nein! Die anderen Bilder hängen alle in der Ausstellung“, erwiderte sie rasch.
    „Und warum dieses eine nicht?“
    „Weil es nie beendet wurde. Kommen Sie …“
    Als sie ihre Schlafzimmertür öffnete, das Licht anknipste und zur Seite trat, schlug Sophias Herz bis zum Hals. Der weiß getünchte Raum war mit einem altrosa Teppichboden ausgelegt und sehr sparsam möbliert. Das Porträt – übrigens das einzige Bild im Zimmer – hing zwischen zwei hohen Fenstern.
    Stumm trat der Fremde näher und betrachtete es.
    Der Hals, die breiten Schultern und der Ansatz eines offen stehenden Hemdes waren nur skizzenhaft erfasst, aber die klassischen Gesichtszüge, das dichte blonde Haar, die breite Stirn, die ausdrucksstarken grauen Augen unter den dunklen Brauen, der großzügige Mund und die markante Kerbe im Kinn präzise ausgearbeitet.
    Sophia schaute zwischen Original und Porträt hin und her und fand die Ähnlichkeit noch frappierender als zuvor. Der einzige Unterschied lag in dem etwas kürzer geschnittenen Haar des Mannes auf der Leinwand. Auch die Wimpern und Brauen wirkten beim genauen Hinsehen eine Spur dunkler, ansonsten hätten die beiden Zwillinge sein können.
    Unmöglich!
    Das Porträt musste noch vor oder kurz nach der Geburt des Mannes gemalt worden sein, der immer noch schweigend und fasziniert auf sein eigenes Konterfei starrte.
    „Was ist der wahre Grund, warum Sie das Bild nicht mit ausstellen? Für mich wirkt es, so wie es ist, komplett.“
    Sie blieb ihm eine Antwort schuldig.
    „Ihr Vater war ein sehr bemerkenswerter Künstler“, fuhr der Fremde nach einer Pause fort. „Die Augen wirken so lebendig … Sie haben recht, es ähnelt mir tatsächlich sehr. Es ist, als schaute ich in einen Spiegel. Wann ist das Porträt entstanden?“
    „Ich bin nicht ganz sicher, aber auf jeden Fall vor meiner Geburt.“
    „Kennen Sie das Modell?“
    „Leider nicht. Aber natürlich habe ich meinen Vater danach gefragt. Er sagte, es sei
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