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Palazzo der Liebe

Palazzo der Liebe

Titel: Palazzo der Liebe
Autoren: Lee Wilkinson
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makellosen Haut, den großen wachen Augen, betrachtete sinnend die geschwungenen Brauen, die schmale, gerade Nase und den weichen Mund und verharrte auf den langen, vom Regen feuchten dunklen Locken, die ihrem hochgeschlagenen Kragen entschlüpft waren.
    „Keinen Tag älter als sechzehn, würde ich sagen.“
    „Ich bin fünfundzwanzig.“
    „Fünfundzwanzig …“, wiederholte er in einem Ton, der irgendwie erleichtert klang. „Und seit wann leben Sie allein?“
    Ihre Stimme schwankte leicht, als sie antwortete. „Seit mein Vater vor ein paar Monaten gestorben ist.“
    „Kam sein Tod überraschend?“, fragte er sanft.
    „Irgendwie schon. Dabei war er ziemlich lange krank, doch das Ende kam sehr plötzlich.“
    „Und Ihre Mutter?“
    Für den Bruchteil einer Sekunde irritierten Sophia die sehr direkten Fragen, doch dann siegte das Bedürfnis, ihr Herz gegenüber dem offenbar mitfühlenden Mann ein wenig auszuschütten. Vielleicht auch nur, weil er ihr so wenig fremd erschien und sie seine Gesellschaft so lange wie möglich genießen wollte.
    „Sie starb, als ich sieben war.“
    „Keine Geschwister?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin ein Einzelkind.“
    „Ihr Vater kann noch nicht sehr alt gewesen sein …“, überlegte er laut.
    „Zweiundsechzig. Er hat erst mit sechsunddreißig geheiratet.“
    „Und nach dem Tod Ihrer Mutter gab es keine Frau mehr in seinem Leben?“
    Wieder schüttelte sie den Kopf. „Nein. Ich habe es auch nie verstanden. Abgesehen davon, dass er ausgesprochen attraktiv, begabt und ein umgänglicher Mensch war, besaß er einen ganz besonderen Humor …“ Ihre Stimme verebbte.
    „Worin lag seine Begabung?“
    „Er malte.“
    „Also ein Künstler?“
    „Nein, Diplomat. Das Malen bedeutete für ihn Hobby und Leidenschaft zugleich. Und seit er nach einem Unfall in den vorzeitigen Ruhestand trat, verschrieb er sich ganz der Malerei.“
    „Landschaften?“
    „Weniger, hauptsächlich Porträts. Eines davon ähnelt Ihnen sehr“, platzte Sophia ungewollt hervor. Daraufhin warf der Mann ihr einen verwirrten Seitenblick zu.
    „Mir?“ In seiner Stimme schwang ein amüsierter Unterton mit.
    „Ja.“
    „Und? Ist es eine gute Arbeit?“
    „Jemand hat sie als brillant bezeichnet. Die Galerie, in der ich arbeite, eröffnet morgen eine Ausstellung mit den Werken meines Vaters“, fügte sie wegen seiner skeptischen Miene fast trotzig hinzu.
    „Um welche Galerie handelt es sich?“, hakte er höflich nach.
    „ A Volonté.“
    „Dann sind Sie auch Künstlerin?“
    Sophia lächelte. „Ich wünschte, es wäre so. Ich habe sogar kurz eine Kunstakademie besucht, aber mir fehlt sein Talent.“
    „Und was tun Sie dann in dieser Galerie?“
    „Ich helfe, Kunst zu verkaufen, könnte man sagen. Ich schätze den Wert von Kunstwerken, fotografiere und katalogisiere sie, stelle Expertisen aus und bin auch für ihre Reinigung und Restaurierung zuständig, falls erforderlich. Vor dem Job in der Galerie habe ich zwei Jahre in einem Museum als Restauratorin gearbeitet“, erklärte Sophia angesichts seiner zweifelnd erhobenen Brauen. „Dabei habe ich gleichzeitig meine Begabung und Freude für diese Tätigkeit entdeckt.“
    „Ihr Vater war sicher sehr stolz auf Sie.“
    Traurig und mit gesenktem Kopf nickte sie.
    „Sie vermissen ihn sehr, nicht wahr?“
    „Ja … Ich habe mich immer noch nicht wirklich daran gewöhnt, allein zu sein …“
    Normalerweise gab sie nicht so viel von sich preis, nicht einmal ihren Freunden gegenüber. Warum, um alles in der Welt, vertraute sie sich plötzlich jemandem an, den sie überhaupt nicht kannte?
    Doch das stimmte nicht – sie kannte ihn. Ihr ganzes Leben lang … „Gibt es denn keinen Mann in Ihrem Leben außer Ihrem Vater?“
    „Ich war sogar verlobt“, gestand sie ernst. „Aber als Dad so krank wurde, ließ ich ihn abends nicht gern allein, und das hat meine Beziehung sehr belastet. Phillip ärgerte sich darüber, dass ich nicht mehr so viel Zeit mit ihm verbrachte, deshalb gab ich ihm seinen Ring zurück.“
    „Das war sicher sehr hart für Sie.“
    „Nicht so schlimm, wie ich anfangs glaubte. Erst nach unserer Trennung ging mir auf, dass ich Phillip gar nicht wirklich geliebt habe.“ Dass sie sich eigentlich nur in ihn verliebt hatte, weil er vage dem Mann auf ihrem Porträt ähnelte, behielt sie lieber für sich.
    „Danach gab es keinen anderen mehr?“
    Sophia schüttelte den Kopf.
    Ihr Begleiter lachte leise. „Nach dem Berg an
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