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Pablito

Pablito

Titel: Pablito
Autoren: Käthe Recheis
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Gummisammler, fürchtete den Sumpf nicht. Er hatte ihn oft durchquert, die
schmalen Pfade waren ihm vertraut. Der trügerische Schlamm, bedeckt mit dicken
Flechten, konnte ihn nicht täuschen.
    Acero ging zum Fluß, wo seine
Arbeitskameraden auf ihn warteten. Gemeinsam wollten sie in den Wäldern an
beiden Ufern des Flusses nach Gummi suchen.
    Acero war sehr alt. Seine Haut
war braun und faltig. Das schwarze dünne Haar hing ihm strähnig auf die Schultern.
Er wanderte so sicher in der Mondnacht auf dem schwankenden Morast, als
schritte er auf festem Boden. Der Schein der Sterne und des Mondes lag auf den
Wasserlachen und durchstrahlte geheimnisvoll den Nebel.

    Die Lichter verschwanden vom
Himmel. Im Morgengrauen hörte er das Klagen eines Hundes. Sollte sich ein Hund
in den Sumpf verirrt haben? Er lauschte. Das Tier mußte irgendwo abseits des
Pfades sein, seine Stimme klang kläglich. Es war gefährlich, den Pfad zu
verlassen. Der alte Indianer Acero wußte es. Er ging wieder weiter.
    Aber das Winseln hörte nicht
auf. Acero kehrte um. Auch wenn es nur ein Hund war, Acero wollte ihn nicht im
Sumpf sterben las-sen. Langsam und vorsichtig wählte er seinen Weg und trat auf
keines der heimtückischen Grasbüschel.
    Quito stand neben dem vor
Erschöpfung fest schlafenden Pablo und jammerte leise. Als er Acero erblickte,
wedelte er freudig mit dem Schwanz und bellte.
    »Ein kleiner Junge!« rief
Acero. »Ein kleiner Junge mit einem Hund und einer Ziege mitten im gefährlichen
Sumpf!«
    Pablo öffnete die Augen und
murmelte, halb noch im Schlaf: »Großmutter!« Denn er hatte geträumt, daß
Großmutter Yacuma zu ihm gekommen sei. Aber es war nicht Großmutter Yacuma, es
war ein fremder Mann. Der alte fremde Mann lächelte. Pablo wischte die Tränen
fort, die aus seinen Augen liefen.
    Der alte Mann kauerte sich
neben ihm auf den Boden nieder, öffnete seinen Beutel und nahm ein großes Stück
Maisbrot heraus. Pablo durfte essen, soviel er wollte, und auch Quito und Uyuni
wurden gefüttert.
    »Ich bin Acero, der
Gummisucher«, sagte der alte Mann. »Und wer bist du?«
    Pablo antwortete: »Ich heiße
Pablo, und das ist mein Hund Quito. Uyuni ist Großmutter Yacumas Ziege.«
    »Wo ist Großmutter Yacuma?«
fragte Acero.
    Pablo schluckte. »Im
glücklichen Land bei meinem Vater und bei meiner Mutter. Und weil Quito, Uyuni
und ich nicht allein im Urwald bleiben können, gehen wir nach Tupica zu Tante
Jacinta und Onkel Juan.«
    Acero sah den kleinen Pablo an,
den kleinen gelben Hund Quito und die schwarze Ziege Uyuni. Der alte Mann
schüttelte verwundert den Kopf. Ein kleiner Junge, der allein durch den Urwald
und über den großen Fluß geht und der es wagt, den Sumpf zu betreten! Acero
dachte daran, was mit Pablo und seinen Tieren hätte geschehen können, wäre er
nicht dem Winseln Quitos gefolgt.
    »Hast du dich sehr gefürchtet?«
fragte er.
    Pablo nickte. »Aber jetzt bist
du bei mir. Und jetzt fürchte ich mich nicht mehr.«
    Acero sagte: »Ich komme aus der
Stadt Puna. Ich werde euch aus dem Sumpf führen, aber dann muß ich umkehren,
denn am Fluß warten meine Freunde auf mich.«
    Acero ging voran, dann folgten
Pablo, Quito und Uyuni. Pablo fand nun, daß der Sumpf gar nicht so häßlich und
angsterregend war. Leuchtende Blumen erhoben sich aus dem Schlamm, und Blüten
schwammen auf dem schwarzen Wasser. Das Gefieder der Vögel war so bunt und
glänzend, als wüßten sie, daß sie mit ihren Farben die Traurigkeit des Sumpfes
vertreiben konnten. Acero kannte alle Tiere und alle Pflanzen beim Namen, und
er nannte die Vögel seine Freunde.

    Acero erzählte auch von dem
Dorf Tupica. Er war vor Jahren dort gewesen. »Die Hütten sind aus Stein und
graue oder rote Ziegel liegen auf den Dächern. Eine große weiße Kirche gibt es
mit einer Glocke. Man sagte mir, daß ein neues Haus gebaut worden ist. Es ist
eine Schule. Dort lernen die Kinder schreiben und lesen.«
    Pablo konnte nicht schreiben
und nicht lesen. Er fragte: »Muß ich auch in die Schule gehen?«
    Acero nickte.
    Pablo rief: »Ich will aber
nicht!« Und am liebsten wäre er sofort zurück in den Urwald gelaufen.
    Acero erzählte: »Eine junge
Frau lehrt die Kinder in Tupica lesen und schreiben. Man sagt, ihr Haar sei so
gelb wie Mais, wenn er reif wird. Sie ist viele Wochen mit dem Schiff übers
Meer gefahren, um nach Tupica zu kommen.«
    »Viele Wochen lang?« fragte
Pablo erstaunt.
    »Viele Wochen lang«, antwortete
Acero.
    »Um zu den Kindern nach Tupica
zu
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