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Pablito

Pablito

Titel: Pablito
Autoren: Käthe Recheis
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Räuberlebens, statt einem anderen etwas zu
rauben, selbst etwas zu verschenken! Aber Pablo sah so unglücklich aus. Ich
werde ihm ja seine Ziege nehmen, dachte Tomico, dafür kann ich ihm jetzt zu
trinken geben. Er schüttete Wasser in Pablos Schale. Uyuni, Quito und Pablo
ließen keinen Tropfen davon übrig. Pablo fühlte sich wieder besser. Er hatte
auch keine Angst mehr vor dem fremden Mann mit dem unfreundlichen Gesicht.
    »Es ist kalt«, sagte Tomico und
schlug sich die Arme um die Schultern, um sich zu wärmen.
    »Es ist kalt«, sagte auch
Pablo.
    Tomico befahl: »Steh auf und
sammle Holz! Ich werde ein Feuer anzünden.«
    Pablo stand sofort auf.
    Tomico fand es sehr angenehm,
daß es jemand gab, der seinen Befehlen gehorchte. Bisher war immer er es
gewesen, der Befehle erhalten hatte und gehorchen mußte. Ohne Zweifel hatte es
seine Vorteile, ein Dieb und Räuber zu sein!
    Das Feuer war nur klein, aber
es gab doch Wärme. Pablo und die Tiere schliefen bald ein. Tomico blieb neben
den rotglühenden Holzstückchen sitzen. Durch die Zweige der Mangobäume sank das
Mondlicht auf das Gesicht des schlafenden Pablo. Zikaden zirpten. Tausende von
grünlich schimmernden Leuchtkäfern flogen still auf der weiten Ebene hin und
her.
    Tomico blickte zum Himmel auf.
Er fühlte, wie hart und schwer sein Leben immer gewesen war, und er seufzte. Er
dachte an alle Ungerechtigkeiten, die er hatte erdulden müssen.
    Der Strick Uyunis war Pablo aus
der Hand geglitten. Ich werde die Ziege stehlen, beschloß Tomico, solange der
Junge schläft. Plötzlich war es gar nicht mehr angenehm, ein Räuber und ein
Dieb zu sein! Er schloß die Lippen fest, stand leise auf, schlich zu Uyuni,
nahm den Strick in seine Hand und wollte sie fortführen.

    Uyuni aber ließ einen fremden
Mann nicht an ihrem Strick ziehen. Sie senkte störrisch den Kopf und stemmte
ihre Füße fest in den Boden.
    Quito begann zu bellen.
    Pablo wachte auf. »Was machst
du?« rief er.
    Tomico antwortete: »Ich bin ein
Dieb, Pablo. Diese Ziege gehört nun mir. Ich werde sie verkaufen. Und wehre
dich nicht, ich habe ein großes Messer, siehst du, hier!«
    Die Tränen schossen Pablo in
die Augen. »Nein, nein, du darfst sie nicht verkaufen! Es ist Großmutter
Yamucas Ziege!«
    Er klammerte sich verzweifelt
an Uyuni, er preßte sein Gesicht an ihr Fell und hielt sie fest. Quito biß
Tomico in das linke Bein und zerriß seine Hose. Tomico bückte sich und schlug
ihn hart, aber Quito war tapfer und stürzte sich wieder auf ihn.
    »Ruf deinen Hund!« befahl
Tomico drohend. Und er zeigte Pablo sein Messer.
    »Quito, Quito!« rief Pablo voll
Angst. »Komm zu mir, Quito!« Quito kroch zu ihm.
    Plötzlich, als sei nichts
geschehen, meckerte Uyuni fröhlich. Sie beugte sich zu dem weinenden Pablo,
liebkoste ihn mit ihren weichen Nüstern und leckte sein Gesicht.
    Tomico und Pablo waren darüber
so erstaunt, daß sie schwiegen und auf die Ziege starrten.
    »Liebst du deine Ziege?« fragte
Tomico endlich verlegen.
    Pablo zögerte keinen
Augenblick. »Ja, ja«, antwortete er, »ich liebe sie!«
    Und das war die Wahrheit.
    Tomico senkte den Blick und sah
lange Zeit auf seine zerrissene Hose.
    »Wenn du sie liebst«, murmelte
er, »dann behalte sie. Ich will sie nicht.« Er setzte sich wieder ans Feuer und
sprach kein Wort. Alle Menschen, die er berauben wollte, würden ihr Eigentum so
lieben wie dieser Junge seine Ziege. Ach, es war sehr schwer, ein Räuber zu
sein.
    Pablo wischte sich die Tränen
aus den Augen. Er war dankbar, daß ihm der Dieb die Ziege Uyuni nicht
fortführte. Er nahm sein letztes Maisbrot aus dem Beutel und reichte es Tomico.
    »Hier«, sagte er, »willst du
mein Maisbrot?«
    Tomico schüttelte den Kopf.
Pablo fand, daß sein Gesicht nicht mehr unfreundlich war. Aber es war sehr
traurig. Tomico blickte auf die Wiesen im Mondschein. Er sagte: »Ich bin kein
Dieb, Pablo. Aber ich will ein Dieb werden.«
    »Warum?« fragte Pablo.
    Weil ich arm bin, weil die
Menschen hart zu mir waren, weil sie mich hungern ließen -das wollte der Dieb
Tomico antworten, doch er sagte es nicht. Statt dessen sagte er: »Eigentlich
will ich ja gar kein Dieb werden!«
    »Ich bin froh«, sagte Pablo,
»daß du kein Dieb werden willst.«
    Jetzt, dachte Tomico
trübsinnig, habe ich nichts von meinem Entschluß, ein Räuber zu werden. Mein
letztes Geld habe ich für das Messer ausgegeben, das ich nun nicht brauchen
kann. Meine Hose hat mir dieser Hund zerrissen. Und Tomico sah
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