Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Titel: Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
Häuser, Farmen, Scheunen und weitere Bauten aus Holz und Wellblech. Gemeinsam ergaben sie einen warmen niedrigen Fleck im Dunst. Vor ihm im Westen lagen Zehntausende von ebenen Quadratmeilen, die bis auf die Bänder ferner Straßen und die Kleinstadt Despair acht bis neun Meilen vor ihm völlig leer waren. Despair war schwerer auszumachen als Hope. Der Dunst im Westen schien stärker zu sein. Einzelheiten konnte man nicht erkennen, aber dieses Prärienest wirkte größer als Hope und war tropfenförmig, mit einem konventionellen Geschäftsbezirk südlich der Hauptstraße, an den sich ein weiteres Gewerbegebiet anschloss, in dem es vielleicht Industrie gab, was den Smog erklärt hätte. Despair machte einen weniger freundlichen Eindruck als Hope. Kalt, wo Hope warm ausgesehen hatte; grau, wo Hope heiter erschienen war. Es wirkte abweisend. Reacher überlegte sekundenlang, ob er umkehren und von Hope aus nach Süden weiterziehen solle, um wieder auf Kurs zu kommen; doch er verwarf diesen Gedanken, noch bevor er ganz formuliert war. Reacher hasste es umzukehren. Er marschierte gern vorwärts, volle Kraft voraus, wohin auch immer. Das Leben jedes Menschen brauchte ein Ordnungsprinzip, und Reachers Credo war rastlose Fortbewegung.
    Später ärgerte er sich über sich selbst, weil er so wenig flexibel gewesen war.
    Er sprang von dem Felsen, folgte einer langen Diagonalen durch den Sand und erreichte die Straße zwanzig Meter westlich der Stelle, an der er sie verlassen hatte. Er blieb am linken Straßenrand und ging mit langen Schritten weiter: in mühelosem Tempo, etwas über drei Meilen in der Stunde, dem Gegenverkehr zugewandt, die sicherste Methode. Aber es gab keinen Gegenverkehr. Es gab überhaupt keinen Verkehr. Die Straße war verlassen. Kein Fahrzeug benutzte sie. Kein Personenwagen, kein Laster. Nichts. Keine Chance, mitgenommen zu werden. Reacher war leicht verwundert, aber ansonsten unbesorgt. Er war in seinem Leben schon oft mehr als siebzehn Meilen am Stück marschiert. Er strich sich die Haare aus der Stirn, zog sein Hemd an den Schultern vom Körper und hielt weiter auf das zu, was vor ihm liegen mochte.

3
    Der Stadtrand wurde durch ein unbebautes Grundstück markiert, auf dem vielleicht vor zwanzig Jahren etwas hätte gebaut werden sollen. Dann kam ein altes Motel: geschlossen, mit Brettern vernagelt, anscheinend endgültig aufgegeben. Schräg gegenüber und fünfzig Meter westlich befand sich eine Tankstelle. Zwei Zapfsäulen, beide alt. Nicht die ländlichen Relikte, die Reacher von Edward Hoppers Gemälden kannte, aber trotzdem um einige Modellgenerationen veraltet. Hinter den Zapfsäulen lag eine kleine Hütte mit einem schmutzigen Fenster, in dem Literdosen Öl zu einer Pyramide aufgetürmt waren. Reacher überquerte den Vorplatz und streckte seinen Kopf durch die Tür. In der dunklen Hütte roch es nach Kreosot und heißem rohem Holz. Hinter der Theke stand ein Kerl in einem blauen Overall mit schwarzen Schmutzflecken. Er war ungefähr dreißig und auffällig hager.
    »Haben Sie Kaffee?«, fragte Reacher.
    »Das hier ist ’ne Tankstelle«, antwortete der Kerl.
    »Tankstellen verkaufen Kaffee«, sagte Reacher. »Und Wasser und Limonade.«
    »Diese nicht«, entgegnete der Kerl. »Wir verkaufen Benzin.«
    »Und Öl.«
    »Wenn Sie welches wollen.«
    »Gibt’s in der Stadt einen Coffeeshop?«
    »Es gibt ein Restaurant.«
    »Nur eines?«
    »Mehr brauchen wir nicht.«
    Reacher trat ins Tageslicht hinaus und setzte seinen Weg fort. Hundert Meter weiter westlich legte die Straße sich Gehsteige zu und änderte ihren Namen ausweislich des Straßenschilds an einem Pfosten in Main Street. Zehn Meter weiter folgte der erste bebaute Straßenblock. Er begann mit einem düsteren Klinkerwürfel, zwei Stockwerke hoch, auf der südlichen linken Straßenseite. Vielleicht ein ehemaliges Textilkaufhaus, in dem sich noch immer ein Einzelhandelsgeschäft befand. Durch die staubigen Schaufenster konnte Reacher Kunden und Stoffballen sowie Stapel von Haushaltswaren aus Kunststoff sehen. Daneben stand ein identischer dreigeschossiger Klinkerwürfel, dann noch einer und noch einer. Das Stadtzentrum schien ungefähr zwölf mal zwölf Blocks zu umfassen und konzentrierte sich vor allem südlich der Main Street. Reacher war kein Architekturkenner und wusste, dass er sich weit westlich des Mississippis befand, aber die ganze Atmosphäre erinnerte ihn an eine alte Fabrikstadt in Connecticut oder Cincinnati vom Fluss aus gesehen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher