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Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Titel: Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
Autoren: Lee Child
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Westen, nach Despair, wollte.
    Auch an diese Tatsache erinnerte er sich später. Und er fragte sich, weshalb er sich nicht nach dem Grund dafür gefragt hatte.
    Was seine große Diagonale betraf, war er etwas vom Kurs abgekommen. Im Idealfall hätte er genau südwestlich nach New Mexico unterwegs sein sollen. Aber er beharrte nicht auf unbedingter Planerfüllung. Der Grand Marquis war ein bequemer Wagen und der alte Kerl auf Hope fixiert gewesen, weil er dort drei Enkel besuchen wollte, bevor er nach Denver weiterfuhr, wo weitere vier auf ihn warteten. Reacher hatte sich geduldig die Familiengeschichten des Alten angehört und sich überlegt, dass ein Zickzackkurs – erst nach Westen, dann nach Süden – völlig in Ordnung war. Vielleicht waren zwei Seiten eines Dreiecks unterhaltsamer als eine Gerade. Und als er in Hope auf einer Karte entdeckte, dass siebzehn Meilen weiter westlich Despair lag, konnte er der Versuchung, diesen kleinen Umweg zu machen, nicht widerstehen. Metaphorisch gesehen hatte er die Strecke von Hoffnung nach Verzweiflung in seinem Leben schon mehrmals zurückgelegt. Die sich hier bietende Gelegenheit, das einmal wirklich zu tun, musste man nutzen, fand er.
    Auch an diese Laune würde er sich später erinnern.
    Die gerade, zweispurige Straße zwischen den beiden Orten stieg nach Westen hin leicht an. Nichts Dramatisches. Der Osten Colorados, in dem Reacher sich befand, war ziemlich eben. Genau wie Kansas. Aber vor ihm waren die Rocky Mountains zu sehen – blau und massiv und im Dunst verschwimmend. Sie schienen sehr nahe zu sein. Dann waren sie’s plötzlich nicht mehr. Reacher überwand eine leichte Steigung und begriff plötzlich, weshalb die eine Kleinstadt Hope und die andere Despair hieß. Siedler, die sich hundertfünfzig Jahre vor ihm nach Westen gequält hatten, mussten bei einem Halt in der späteren Kleinstadt Hope den Eindruck gehabt haben, das letzte große Hindernis sei zum Greifen nahe. Hatten sie einen Tag, eine Woche oder einen Monat lang gerastet und waren dann weitergezogen, mussten sie an genau dieser Stelle gemerkt haben, dass die scheinbare Nähe der Rockys nur eine grausame optische Täuschung war. Ein Beleuchtungstrick. Von diesem erhöhten Punkt aus schien die große Felsbarriere wieder weit weg, sogar unerreichbar fern zu sein. Hunderte von endlosen Meilen, vielleicht Tausende von Meilen entfernt – obwohl auch das eine Illusion war. Reacher schätzte, dass es bis zu den ersten bedeutenden Gipfeln ungefähr zweihundert Meilen waren. Ein vierwöchiger anstrengender Treck zu Fuß oder auf von Maultieren gezogenen Wagen durch eintönige Wildnis mit gelegentlichen Planwagenspuren, die Jahrzehnte alt waren. Vielleicht ein sechswöchiger Treck, noch dazu zur falschen Jahreszeit. Insgesamt keine Katastrophe, aber sicherlich eine herbe Enttäuschung, ein unerwarteter Schlag, der schwer genug war, um die Ängstlichen und Ungeduldigen zwischen zwei Blicken zum Horizont von Hoffnung zur Verzweiflung zu treiben.
    Reacher verließ den Rollsplit von Despair und ging durch verkrusteten Sand zu einem Tafelfelsen von der Größe eines Autos. Er kletterte hinauf, streckte sich mit hinter dem Kopf gefalteten Händen aus und starrte zum blassblauen Himmel auf, über den sich lange Federwolken zogen; vielleicht die Reste der Kondensstreifen von Nachtflugzeugen, die von Küste zu Küste unterwegs gewesen waren. Früher, als er noch geraucht hatte, hätte er sich jetzt vielleicht eine Zigarette angezündet, um sich die Zeit zu vertreiben. Aber wer rauchen wollte, musste mindestens eine Packung und ein Streichholzbriefchen in der Tasche haben, und Reacher verzichtete seit Langem darauf, sich mit Überflüssigem zu belasten. In den Taschen befand sich nichts außer Papiergeld, einem abgelaufenen Pass, einer Bankkarte für Geldautomaten und einer zusammenklappbaren Zahnbürste. Auch anderswo wartete nichts auf ihn. Kein Lagerraum in irgendeiner fernen Stadt, nichts bei Freunden Untergestelltes. Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. Alles, was er brauchte, aber nichts Überflüssiges.
    Er stand auf und stellte sich auf dem Felsen auf die Zehenspitzen. Im Osten hinter ihm erstreckte sich eine flache Senke mit etwa zehn Meilen Durchmesser, in deren Mitte acht bis neun Meilen entfernt die Kleinstadt Hope lag: ungefähr zehn Straßenblocks mit Klinkergebäuden, dazu in den Außenbezirken verstreute
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