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OstfriesenKiller

OstfriesenKiller

Titel: OstfriesenKiller
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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auszudehnen.
    Die Sonne war gerade hinter Juist versunken. Sie mussten Licht machen. Nackt ging Ulf Speicher in die Küche, um einen Kaffee aufzubrühen. Er wusste nicht, dass er durch ein Zielfernrohr beobachtet wurde und im Fadenkreuz eine wunderbare Zielscheibe abgab.
    Das Fadenkreuz wanderte über seinen Körper, vom Bauch über die Brust zum Kopf.
    In diesem Moment tänzelte Alexa in die Küche. Auch sie immer noch nackt. Draußen fuhr jemand mit dem Fahrrad vorbei. Um keinen Preis wollte Alexa nackt in Ulfs Küche gesehen werden. Deswegen schaltete sie das Licht aus.
    Damit rettete sie Ulf Speicher das Leben.
    Für eine Stunde.
     
    Ann Kathrin Klaasen war nach Neßmersiel gefahren, um dem Sonnenuntergang im Meer zuzusehen. Sie brauchte Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie wusste nicht, wie lange sie so gesessen und aufs Meer gestarrt hatte. Jedenfalls begann sie jetzt zu frösteln.
    Sie hatte ihren Twingo vor Aggis Huus geparkt. Hierhin fuhr sie gerne, wenn sie ihren Gedanken nachhängen wollte und ein bisschen Zeit für sich selbst brauchte.
    Im Geschäft nebenan konnte sie nie an den Kinderbüchern vorbeigehen. Als ihr Sohn klein war, hatte sie immer eine gute Ausrede, mit neuen Bilderbüchern und Geschichten für Erstleser nach Hause zu kommen. Jetzt wurde es schwieriger. Sie gestand sich ihre Leidenschaft ein. Ja, sie liebte Kinderbücher. Jugendbücher interessierten sie schon nicht mehr. Hero hatte natürlich sofort eine psychologische Erklärung dafür parat: Sie lebte dann seiner Meinung nach das kleine Kind in sich aus. Er behauptete, sie würde manchmal davon dominiert, wie eine Marionette von ihrem Spieler.
    Sie hasste es, wenn er so sprach, und wusste doch, dass er recht hatte.
    Sie wählte die »Zaubergeschichten« von Ulli Maske. Das Titelbild sprach sie an. Ihr Vater hatte Geschichten von Zauberern, Hexen und Elfen geliebt. Mit dem Buch setzte sie sich in Aggis Huus. Sie mochte die Wohnzimmeratmosphäre hier. Selbst die Anwesenheit einer Touristengruppe konnte nichts daran ändern, dass dies hier kein normales Café war. Ein wenig fühlte sich hier jeder Gast zu Hause.
    Sie bestellte sich ein alkoholfreies Jever und den Tageseintopf mit Wurst. Genau das gehörte hierhin. Es gab wenige solcher Plätze. Ann Kathrin fand, hier sollte kein Sushi serviert werden und keine ausgefallenen Spezialitäten, sondern deftige Eintöpfe und selbstgemachter Kuchen.
    Ann Kathrin konnte die Füße ausstrecken und sich für einen Moment sicher fühlen. Hier war die Welt einfach und schön. Das Böse, die komplizierte Zivilisation, blieb draußen.
    Ann Kathrin wartete auf den Eintopf und blätterte in ihrem neuen Kinderbuch, aber sie las sich nicht wirklich im Text fest. Sie wusste, dass ihr noch etwas bevorstand. Etwas, vor dem sie am liebsten weggelaufen wäre.
    Als dann die junge Bedienung den Brotkorb und den Eintopf vor sie hinstellte, ahnte Ann Kathrin sofort, sie würde keinen Bissen herunterbringen. Es war ihr peinlich, jetzt nichts essen zu können. Sie wollte die Küche nicht beleidigen. Eine Weile saß sie so vor ihrem Teller und starrte hinein. Sie tippte die Wurst mit der Gabel an, schnitt sie in kleine Stücke, tauchte sie in den Kartoffeleintopf, aber am Ende zahlte sie doch, ohne auch nur von der Suppe probiert zu haben.
    Im Blick der Kellnerin lag die Frage: Stimmt etwas nicht mit unserem Essen? Soll ich Ihnen etwas anderes bringen?
    Ann Kathrin Klaasen verließ Aggis Huus mit vielen Beteuerungen, wie toll der Eintopf sei, aber sie müsse sich wohl einen Virus gefangen haben.
    Sie stieg in ihren grünen Twingo. Das Auto war wie ein Schutzraum für sie. Ganz gegen ihre sonstigen Gewohnheiten drückte sie die Sicherung für alle Türen runter. Es war wie eine Abgrenzung nach außen. Sinnlos, aber wohltuend. Hier sollte sie jetzt niemand stören.
     
    Sie betrachtete ihr Gesicht im Rückspiegel, bevor sie den Motor anließ. Nein, sie sah nicht aus wie 37. Sondern viel älter. Sie kam sich eher vor wie 47. Ja, vor kurzem noch hatte sie jünger ausgesehen, wie Anfang 30 vielleicht. Sie war immer viel jünger geschätzt worden, als sie in Wirklichkeit war. In der Pubertät hatte sie das mächtig geärgert.
    Andere Frauen begannen vielleicht, sich aufzudonnern und schliefen noch öfter mit ihrem Mann als sonst. Aber sie konnte das nicht. Etwas in ihr war zu Eis gefroren.
    Sie trug weite Pullis und ging nicht mehr zum Friseur. Sie kämmte sich die Haare morgens nur kurz mit einer Bürste durch und steckte
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